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Merken   Drucken   23.10.2012, 20:10 Schriftgröße: AAA

Arbeitsmarkt: Ungewöhnliche Allianz für Langzeitarbeitslose

FDP und Paritätischer Wohlfahrtsverband erarbeiten gemeinsam ein Konzept. Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt soll öffentlich gefördert werden.
© Bild: 2012 DPA/Stefan Sauer
Exklusiv FDP und Paritätischer Wohlfahrtsverband erarbeiten gemeinsam ein Konzept. Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt soll öffentlich gefördert werden.
von Berlin

Schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose sollen mit finanzieller Hilfe direkt in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Das schlagen der FDP-Sozialexperte Pascal Kober und der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands Ulrich Schneider vor. "Es geht darum, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, und nicht darum, Arbeitslose unwürdige Scheinarbeit wie Puzzle machen zu lassen - sie müssen am Markt tätig sein. Die Zeit für eine solche Initiative ist einfach reif", sagte Schneider der FTD. "Die FDP wirbt für das Bürgergeld, und sie hat sich in ihrem Grundsatzprogramm für die dauerhafte Integration von Arbeitslosen ausgesprochen. Wenn man das festschreibt, dann muss man auch eine Lösung finden", sagte Kober.

Kober und Schneider gehen mit ihrem Vorstoß eine ungewöhnliche Allianz ein. Üblich ist eine tiefe Abneigung zwischen Sozialverbänden und der FDP. Mit Widerstand müssen die beiden rechnen: Bislang ist jeder Vorschlag einer langfristigen, öffentlich geförderten Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt gescheitert, weil Politik und Sozialpartner Marktverzerrungen befürchten.

Nach dem neuen Modell sollen Langzeitarbeitslose je nach Grad des Vermittlungsproblems entweder bei einem sozialen Beschäftigungsunternehmen arbeiten, das ihnen Aufgaben auf dem ersten Arbeitsmarkt sucht, oder eine "assistierte Beschäftigung" bei einem regulären Unternehmen aufnehmen, bei der ein Betreuer sie begleitet, falls notwendig. Die Jobaufnahme wäre freiwillig. Der Lohn soll aus der Grundsicherung (Hartz IV), dem Zuschuss für Miete vom Jobcenter und zu 25 Prozent vom Arbeitgeber finanziert werden. Die Betreuung würde aus dem Geld für Arbeitsmarktmaßnahmen bezahlt. Die öffentliche Förderung soll, im Gegensatz zu existierenden Lohnkostenzuschussmodellen, nicht befristet sein.

Vor allem diese Finanzierung dürfte auf Vorbehalte stoßen, da das Geld aus unterschiedlichen Töpfen stammt - von Bund, Ländern und Kommunen. "Die verfassungsrechtlichen Bedenken können ausgeräumt werden, wenn alle das wollen. In anderen Fällen - wie der Kindertagesbetreuung - ging das auch", sagte Schneider.


Förderung
Finanzen Für Arbeitslosengeld I und II, Miete und Heizung stehen 2012 rund 33,5 Mrd. Euro zur Verfügung. Für Arbeitsmarktmaßnahmen sind 4,4 Mrd. Euro eingeplant.
Beschäftigung Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt werden derzeit nur öffentlich gefördert, wenn sie keine anderen Arbeitsplätze verdrängen. Daneben gibt es noch das zeitlich befristete Modell der Lohnkostenzuschüsse.

Über die Lohnhöhe müsse debattiert werden. "Sie liegt sicher unter 10,50 Euro pro Stunde - die Lücke in der Rente muss über andere Modelle geschlossen werden", so Schneider. Die Arbeitslosen würden voraussichtlich auch keine 40 Stunden arbeiten können. Ziel der Initiative ist, die Hälfte der rund 400.000 schwer Vermittelbaren zu erreichen. Verzerrungen werde es durch diese 0,5 Prozent an Erwerbstätigen kaum geben, versicherte Schneider.

Der Wohlfahrtsverband würde von dem Modell profitieren: "Für die rund 1000 Sozialunternehmen wäre das eine wichtige finanzielle Hilfe. Die Kürzungsprogramme haben dazu geführt, dass 20 Prozent dieser Unternehmen ihre Arbeit auf diesem Feld eingestellt haben und 44 Prozent des Stammpersonals abgebaut wurden", sagte Schneider.

Der Baden-Württemberger Kober argumentiert mit dem Fachkräftemangel, den er in seinem Bundesland beobachtet. Dort hat sich bereits der FDP-Landesparteitag für das Projekt ausgesprochen. "Mit der assistierten Beschäftigung kann auch Handwerksbetrieben, die Mitarbeiter suchen, geholfen werden", glaubt er. "Dafür kann man auch Arbeitsprozesse neu gliedern, sodass Mitarbeiter entlastet werden und Aufgaben für die assistierte Beschäftigung gefunden werden." Kober und Schneider wollen nun breit bei Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften werben und Detailarbeit leisten.

  • Aus der FTD vom 24.10.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland
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