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Kolumne | Hinter den Zahlen

Am Fall Griechenland: Europa muss sparen, aber wie viel?

Von Marianne Kager | Aktualisiert vor 94 Tagen

Die notwendige Konsolidierungspolitik kann nur dann gelingen, wenn sie nicht übers Ziel hinaus schießt und sich dann in Europa eine tiefe Rezession ausbreitet.

In der vergangenen Woche kam Hoffnung auf, dass sich die griechische Tragödie doch zum Besseren wendet. Frau Merkels Visite in Athen sollte einerseits den Finanzmärkten europäische Solidarität signalisieren, andererseits das zerrüttete deutsch- griechische Verhältnis verbessern. Tenor der Aussagen von Merkel: Man werde Griechenland nicht fallen lassen. Und wenn sich Griechenland weiter an die von der Troika diktierten Sparprogramme hält, wird Deutschland sich nicht gegen weitere Hilfsmaßnahmen stellen. Nicht viel an Versprechen, aber immerhin.

Nun ist es legitim, Hilfsgelder nur gegen Bedingungen zu gewähren, vor allem wenn es sich um öffentliche Gelder handelt. Aber es ist ebenso legitim zu fragen, ob die auferlegten Bedingungen den ersehnten Zweck, i. e. die Sanierung des Staatshaushaltes erfüllen. Wie viel "sparen" kann ein Land überhaupt, ohne dass es in eine endlose wirtschaftliche Abwärtsspirale hineinschlittert, die die Sanierung erst recht unmöglich macht und letztlich im Zusammenbruch seiner Volkswirtschaft endet. Griechenland ist hierfür ein gutes Beispiel.

Wie misst man den Sparwillen oder den Sparerfolg einer Regierung? Ökonomen verwenden dafür als Indikator das sogenannte strukturelle Defizit, das ist ein um einmalige Erlöse oder Ausgaben (z. B. Privatisierungserlöse) sowie um den Einfluss von Konjunkturschwankungen bereinigter Budgetsaldo. Eine Messlatte, die auch Deutschland für seine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse verwendet.

Ein starkes Sinken des strukturellen Defizits heißt demzufolge, dass der jeweilige Staat ein besonders hartes Sanierungsprogramm durchzieht. Steigt der Saldo stark an, dann ist der Staatshaushalt besonders expansiv, das bedeutet, der Staat, und damit wir alle, "lebt über seine Verhältnisse".

All jene, die über den mangelnden Konsolidierungswillen der Griechen klagen, sollten den in der vergangenen Woche veröffentlichten "Fiscal Monitor" des Internationalen Währungsfonds lesen. Kein Land in der EU oder in den G-20-Staaten hat sein strukturelles Defizit nur annähernd so stark gesenkt wie Griechenland. Dieses ist in Griechenland seit 2008 um unglaubliche 14,1 Prozentpunkte (von -18,6 auf -4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) gesunken. Selbst das "Sanierungs-Musterland" Irland hat es "nur" auf minus 4,9 Prozentpunkte (von -11 auf -6,1 Prozent) gebracht. Dennoch ist die griechische Staatsschuld massiv gestiegen. Denn Sparpakete und Verunsicherung haben das BIP seit 2008 um. ca. ein Fünftel schrumpfen lassen.

Dass die Griechen empört sind über immer weitere Sparprogramme, die man ihnen abverlangt und die das Land zwangsläufig in eine nur noch tiefere Depression stürzen, ist angesichts dieser Zahlen verständlich. Mehr geht nicht. Zielführender wäre es, wenn man mehr Druck auf die griechische Politikerkaste ausübte, damit diese endlich die Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft (15 Prozent des BIP) bekämpft. Der letzte Skandal um die schon 2010 an die griechische Regierung übermittelte und dann angeblich verschwundene und daher nicht geahndete Schweizer Steuer-CD spricht für sich. Hier massiv internationalen Druck auszuüben könnte mehr Geld in die griechischen Staatskassen spülen als künftige Sparprogramme. Wie wäre es, wenn Deutschland und Frankreich den Griechen "behilflich sind", um mit der Schweiz ein ähnliches Steuerabkommen zu schließen, wie sie es selbst haben?



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