Der Essener Baukonzern Hochtief steht auf Druck seines spanischen Großaktionärs ACS vor einem radikalen Führungswechsel. Fast die gesamte Unternehmensspitze soll auf einen Schlag ausgetauscht werden. Eine Aufsichtsratssitzung am Dienstag kommender Woche könnte dabei zur Stunde der Wahrheit werden. Unter anderem dürfte dabei ein neuer Vorstandschef gewählt werden. Bei der Belegschaft wächst die Angst vor einer Zerschlagung des Essener Unternehmens.
Vorstandschef Frank Stieler, der noch nicht einmal anderthalb Jahre im Amt ist, solle vorbehaltlich der Zustimmung des Aufsichtsrates bei der Sitzung "einvernehmlich" aus dem Vorstand ausscheiden, teilte das vom spanischen ACS-Konzern kontrollierte Unternehmen an diesem Wochenende mit. Als Nachfolger sei das spanische Hochtief-Vorstandsmitglied Marcelino Fernandez Verdes im Gespräch.
Außerdem plane auch Aufsichtsratschef Manfred Wennemer sein Mandat zum Jahresende "aus persönlichen Gründen" niederzulegen. Der frühere Conti-Chef führt das Kontrollgremium bei Hochtief erst seit Mai 2011.
Hintergrund der Wechsel an der Spitze ist nach offiziell nicht bestätigten Informationen ein Streit der Hochtief-Manager mit ACS über den künftigen Kurs des Unternehmens. ACS brauche dringend Geld und wolle Hochtief zerschlagen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur DPA aus Unternehmenskreisen. Dagegen hätten sich die deutschen Manager zur Wehr gesetzt. Hochtief hat derzeit weltweit rund 82.000 Beschäftigte, davon etwa 10.000 in Deutschland. Ein Firmensprecher wollte sich zu Spekulationen über die Hintergründe nicht äußern.
Auch der Europachef des Unternehmens, Rainer Eichholz, will aus persönlichen Gründen kurzfristig sein Mandat niederlegen, sagte ein Sprecher. Dies habe aber nichts mit den Veränderungen im Konzernvorstand zu tun.
Der spanische Konzern war im vergangenen Jahr nach einer Übernahmeschlacht bei Hochtief eingestiegen und hatte dafür nach Schätzungen schrittweise über Aktienkäufe zwischen 1,9 und 2,6 Mrd. Euro bezahlt. Laut Börsenkreisen soll der Anteil aber aktuell nur noch rund die Hälfte wert sein. Die Übernahmeschlacht lief über Monate, weil das damalige Hochtief-Management sich stark wehrte. "ACS-No"-Schilder hingen damals in vielen Fenstern der Zentrale in der Essener Innenstadt.
Aktuell kontrolliert ACS 54,3 Prozent der Hochtief-Anteile und hat angekündigt, weiter aufstocken zu wollen. Der spanische Baukonzern ist hoch verschuldet und hatte allein in den ersten neun Monaten einen Verlust von rund 1,1 Mrd. Euro erwirtschaftet. ACS stehe selbst mit dem Rücken zur Wand, hieß es aus den Kreisen.
Hochtief hatte dagegen nach einem Verlust von rund 160 Mio. Euro 2011 im dritten Quartal dieses Jahres wieder schwarze Zahlen geschrieben und strebt für das Gesamtjahr einen Gewinn von knapp unter 180 Mio. Euro an.
Der vermutliche neue Hochtief-Chef Verdes, ein langjähriger ACS-Manager, ist erst seit April 2012 im Vorstand des Baukonzerns und bislang verantwortlich für das Amerika-Geschäft. Wennemer hatte Verdes gute Kontakte zu ACS-Chef Florentino Pérez bescheinigt. Der neue Mann im Hochtief-Vorstand könne für eine "bessere Kooperation zwischen ACS und Hochtief" sorgen, hatte Wennemer in einem Zeitungsinterview gesagt. Von einer Machtübernahme durch den neuen Großaktionär wollte der Aufsichtsratschef dagegen in dem Interview nichts wissen.