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Energiewende Anwohner sollen von Strom-Trassenbau profitieren

VON STEVEN GEYER, 18.11.12, 13:58h, aktualisiert 19.12.12, 12:44h
Windkraft
Windkraft ist Teil der energetischen Wende, doch noch fehlen ausreichende Leitungskapazitäten. (FOTO: DPA)
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BERLIN/MZ. Wäre das nicht die Lösung? Man könne doch den verschleppten Stromnetz-Ausbau ankurbeln und so die Energiewende beschleunigen, indem man nicht nur Netzbetreiber, Stromproduzenten und -empfänger von den neuen Trassen profitieren lässt - sondern auch die Anwohner!

Umweltminister Peter Altmaier (CDU) ist verliebt in die Idee. Noch in dieser Legislatur will er sie in ein Gesetz gießen, verkündete er. Die Betroffenen, so sein Plan, können sich mit Darlehen in den Leitungsbau einkaufen. 15 Prozent der Anteile an den bislang lukrativen Projekten wären für sie reserviert, schon mit 500 Euro dürften sie einsteigen, bei garantierten Zinsen von fünf Prozent. In diesen Tagen womöglich eine attraktive Alternative zu einer Anti-Trassen-Bürgerinitiative. Und für Netzbetreiber, die den Trassenbau finanzieren müssen, eine Möglichkeit der Kapitalbeschaffung.

Allein: Die Hürden sind hoch. Es gibt finanzielle Fragen wie die, woher Garantie-Renditen kämen, falls die Gewinne sinken. Es gibt rechtliche Zweifel, bis zur verfassungsrechtlichen Frage, ob man Beteiligungen Dritter an privaten Investitionen erzwingen kann.

Vor allem herrscht Uneinigkeit in der Regierung: Das federführende Wirtschaftsministerium sperrt sich gegen die Idee. Zwar finde man, „dass eine finanzielle Beteiligung der unmittelbar betroffenen Bürger die lokale Akzeptanz des Netzausbaus erhöhen kann“, erklärt ein Sprecher. Das aber per Gesetz zu erzwingen, sieht das von FDP-Chef Philipp Rösler geführte Haus skeptisch. Bürger könnten sich ja bereits über Unternehmensanleihen und Infrastrukturfonds an Netzbetreibern und so auch an Ausbauvorhaben beteiligen. Auch Initiativen einzelner Netzbetreiber, die Kapitalbeteiligungen von Bürgern an Projekten vorsehen, unterstütze man grundsätzlich.

Aber das müsse reichen, so das Ministerium. „Die Entscheidung über die Art der Finanzierung von Netzausbauprojekten liegt jedoch letztendlich bei den zuständigen Netzbetreibern.“ Sprich: Altmaiers Plan, staatlich in die Projektfinanzierung einzugreifen, lehnt Rösler ab. Der Umweltminister hatte seinem Wirtschaftskollegen schon vor Wochen ein Thesenpapier geschickt, das die Idee ausführt. Immerhin ist das Rösler-Ressort für Trassenbau zuständig – was wohl ein Grund für das Nein zu der als Einmischung empfundenen Idee des konkurrierenden Hauses ist. Doch Altmaier hat vorgebeugt: Er setzte die Idee nicht nur mit Interviews in die Welt, sein Thesenpapier ging auch an Bundesnetzagentur und die vier Netzbetreiber.

Der niederländische Betreiber Tennet etwa, der viele Verbindungen von Küstenwindparks nach Süddeutschland stemmen muss, lobt die Idee. „Wir sehen das Ganze sehr positiv“, sagt eine Sprecherin. „Wir freuen uns auf die Diskussion, wie das ausgestaltet werden könnte.“ Tennet plant bereits ein Projekt in Schleswig-Holstein, bei dem Bürger sich einkaufen sollen. Rechtliche Klippen gebe es bereits reichlich. Der klamme Staatskonzern hofft auf neue Geldquellen; die anderen Netzbetreiber halten sich mit Reaktionen zurück. Lediglich in Berlin feilscht Vattenfall gerade mit der „Bürger-Energie Berlin“ über den Preis, für den er sein Ortsnetz an die kommunale Genossenschaft verkaufen würde, in die man sich ebenfalls ab 500 Euro einkaufen kann.

Doch auch die Deutsche Energie-Agentur, die die Regierung in Energiefragen berät, begrüßt Altmaiers Vorschlag: „Die Idee, Bürger über Anleihen am Ausbau der Stromnetze zu beteiligen, ist gut“, sagte ihr Chef Stephan Kohler.

Aus dem Umweltministerium heißt es, derzeit hole man Studien ein sowie Fachmeinungen nachgeordneter Behörden, etwa der Bundesnetzagentur. Dort heißt es, Bürgereinbindung sei stets erstrebenswert, man arbeite aber noch an der fachlichen Beurteilung des Konzepts. Aber für Altmaiers Plan wird es eng: Sind all die Fragen zu spät geklärt und schreibt er das Gesetz zu kurz vor der Bundestagswahl, fällt es der Diskontinuität zum Opfer: Ohne Zustimmung aller Instanzen bis zum Bundesrat verfällt es dann automatisch.

Fotogalerie: Demonstration für Energiewende

Umweltaktivisten

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