Die Woche im Landtag
Merk muss noch viel erklären
Von Peter issig
Man kennt das in jeder Behörde, jedem Ministerium, jeder Redaktion. Immer wieder melden sich schriftlich oder persönlich Menschen mit seltsamen Anliegen oder Beschwerden. Sie warnen vor bevorstehenden Verschwörungen, Welt-Revolutionen oder Anschuldigungen, die so absurd erscheinen, dass ihnen letztlich nicht nachgegangen wird - mit dem Restrisiko, dass vielleicht doch etwas Wahres an den Vorwürfen dran sein könnte. Mit einem derartigen Fall ganz zu Beginn ihrer Amtszeit muss sich momentan Justizministerin Beate Merk beschäftigen. Und sie kommt dabei unter Druck. Florian Streibl von den Freien Wählern hat bereits sehr voreilig ihren Rücktritt gefordert. Inge Aures von der SPD war zurückhaltender, ist aber inzwischen auch so weit, einen Untersuchungsausschuss im Landtag zu fordern.
Es geht um den Fall Gustl Mollath. Er sitzt seit fast sieben Jahren in der geschlossenen Psychiatrie. Er wurde vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen gefährlicher Körperverletzung in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen - der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung -, weil er seine Frau schwer verprügelt hatte.
Vorausgegangen waren aber auch schwere Anschuldigungen Mollaths gegenüber seiner Frau und der HypoVereinsbank Nürnberg, bei der sie beschäftigt war. Dort soll ein ausgeklügeltes System zur Schwarzgeldverschiebung und Geldwäsche aufgebaut worden sein. Mollath erklärte das auch der Justiz, garnierte seine schriftlichen Anschuldigungen aber auch mit wirren Beiträgen wie einem Brief an den Papst, in dem Mollath seinen Kirchenaustritt erklärt, oder mit Schreiben, die sich mit dem Zustand der FDP befassen. Die zuständige Staatsanwaltschaft, vor die sich Merk nun schützend stellt, nahm vielleicht deswegen die Anschuldigen gegenüber der Bank nicht ernst. Den Vorwürfen wurde nicht nachgegangen. Die Angaben waren nicht stichhaltig oder detailliert genug, es habe deswegen kein begründeter Anfangsverdacht bestanden, deswegen durfte natürlich auch nicht ermittelt werden, ist Merks Argumentation.
Mollath verschwand wegen der Körperverletzung hinter den Mauern der Psychiatrie. Eine "paranoide Wahnsymptomatik" stellte ein Gutachter fest. Im Gegensatz zur Justiz nahm aber die HVB die Sache ernst und prüfte selbst. Schon kurze Zeit später, im März 2003, kam sie zu dem Schluss, dass die Vorwürfe Mollaths weitgehend zutreffend waren und sich bestätigten. Erst jetzt aber kam der Bericht über "Report Mainz" und die "Nürnberger Nachrichten" an die Öffentlichkeit. "Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt", heißt es in dem 17-seitigen Papier, das die Bank seit neun Jahren lieber für sich bewahrte. Warum machte sie keinen Versuch, Mollath zumindest in diesem Punkt zu entlasten? Die menschliche Geste wäre wohl wie eine Selbstanzeige aufgefasst worden.
Die Opposition fühlt sich nun aber von Merk schlecht oder falsch informiert, weil sie bei einer Anhörung im März dieses Jahres und auch später den Eindruck erweckt habe, dass die Vorwürfe Mollaths nicht haltbar seien. Es wird schon spekuliert, ob es bei der Justiz kein besonderes Interesse gegeben habe, der Bank-Geschichte nachzugehen, weil es offenbar auch einen prominenten Kunden gab, der von dem Nürnberg-HVB-System profitierte.
Merk nennt diese Vorwürfe absurd. "Das grenzt an üble Nachrede, das grenzt an Verleumdung", sagte sei. Die Beurteilung der Finanztransaktionen habe für die Einweisung keine Rolle gespielt. Außerdem würde jährlich die Unterbringung geprüft und erst kürzlich wieder gerichtlich bestätigt. Trotzdem wird sie noch viel erklären müssen, bis das Vorgehen der Justiz auch Nicht-Juristen plausibel erscheint.
Der Autor ist stellvertretender Leiter der Bayern-Redaktion der "Welt am Sonntag"
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