Athen/Berlin - Griechenland startet einen neuen Versuch im Kampf gegen die weitverbreitete Steuerhinterziehung seiner Bürger: Die Regierung will rund 17.000 Griechen, die von 2009 bis 2011 Geld ins Ausland überwiesen haben, zur Kasse bitten. Sie werden in den nächsten Tagen aufgefordert nachzuweisen, dass die Mittel aus legalen Quellen stammen und versteuert wurden. Das entsprechende Schreiben druckte eine griechische Sonntagszeitung ab.
Die Regierung wendet sich an Bürger, deren Auslandsüberweisungen das seit 2004 deklarierte Einkommen deutlich überschreiten. Sie werden aufgefordert, innerhalb von 20 Tagen eine elektronische Steuererklärung nachzureichen und nachzuweisen, woher das Geld stammt.
Nach früheren Medienberichten soll sich die Summe potentiell unversteuerter Gelder, die im Ausland geparkt wurden, auf fünf Milliarden Euro belaufen. Da sie mit dem Spitzensteuersatz von 45 Prozent besteuert werden sollen, erhoffe sich das Finanzministerium mehr als zwei Milliarden Euro Einnahmen.
Die Regierung will auch eine automatische Ausgabengrenze für seine Ministerien, Staatsbetriebe und Kommunen einführen. Der entsprechende Beschluss wurde bei einer Sitzung des griechischen Premierministers Antonis Samaras mit Finanzminister Ioannis Stournaras und anderen Regierungsmitgliedern am Sonntag gefasst.
Asmussen hält drittes Rettungspaket für unvermeidbar
Die automatische Ausgabenbegrenzung sieht laut Medienberichten vor, dass Ministerien, Staatsbetriebe oder Kommunen jeden Monat auf die in den Sparbeschlüssen festgelegten Ausgabenziele hin überprüft werden. Sollten sie mehr als zwei Quartale hintereinander von den Ausgabenzielen abweichen, wird die Schere angesetzt. Die Sanktionen treten automatisch in Kraft, hieß es am Abend im griechischen Fernsehen.
In der EU geht unterdessen die Debatte über den Umgang mit Griechenland weiter. Nach Einschätzung von EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen ist ein drittes Hilfspaket für Athen unvermeidbar. "Wir sollten die Finanzierung für die Jahre 2013 und 2014 nächste Woche aufstellen", sagte Asmussen am Sonntag im ZDF. Es sei aber nicht zu erwarten, dass sich Griechenland 2015 und 2016 wieder Geld an den Finanzmärkten leihen könne. "Das heißt, es wäre dann ein Anschlussprogramm erforderlich", sagte Asmussen.
Ganz klare und endgültige Lösungen seien im Fall Griechenlands schwieriger als anderswo. Es gebe eine größere Prognoseunsicherheit, wann das Land auf Wachstumskurs zurückkehren könne. Allein mit Krediten sei Griechenland nicht geholfen. "Das schließt zwar die Finanzierungslücke, erhöht aber gleichzeitig die Schulden des Landes", sagte Asmussen. Um den Schuldenstand nicht zu erhöhen, kämen ein Schuldenrückkauf oder eine Senkung der Zinsen auf die ausstehenden Kredite infrage.
Streit über Schuldenschnitt geht weiter
Asmussen hatte bereits im Oktober den Schuldenrückkauf vorgeschlagen - doch da dafür das Geld fehlt, wäre Athen ohnehin auf ein neues Paket angewiesen.
Die Finanzminister der Euro-Länder wollen am Dienstag auf einer Sonderkonferenz beraten, wie eine neue Finanzierungslücke im griechischen Haushalt bis 2014 in Höhe von 13,5 Milliarden Euro gedeckt werden kann. Einen von Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Gespräch gebrachten zweiten Schuldenerlass, bei dem auch öffentliche Kreditgeber wie Deutschland Geld verlören, lehnt die Bundesregierung ab.
Der Chef des Euro-Rettungsfonds, Klaus Regling, sieht hohe Hürden für einen Schuldenerlass der Euro-Staaten für Griechenland. "Ein öffentlicher Schuldenschnitt ist etwas ganz Außergewöhnliches, den kann es nur in extremen Ausnahmesituationen geben", sagte er dem "Handelsblatt". Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bremste und forderte von Athen stattdessen die Umsetzung der Reformpläne.
Schäuble schließt Schuldenschnitt aus
Die griechische Regierung habe ihr Reformpaket nur beschlossen, aber eben noch nicht umgesetzt, sagte Schäuble am Sonntagabend in der ARD. Alle Mitgliedsstaaten der Euro-Zone hätten gesagt, dass auch nach ihrer Rechtsordnung "man nicht gleichzeitig Kredite gewähren kann, Garantien übernehmen kann - und für die Kredite, die man gewährt hat, einen Schuldenschnitt machen. Das ist ausgeschlossen." Auch die Europäische Zentralbank (EZB) als Hauptgläubiger lehne dies "definitiv" ab, sagte Schäuble.
Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger hatte der Einschätzung der Bundesregierung am Samstag widersprochen und einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland für unausweichlich erklärt. "Am Ende des Tages werden wir um einen Schuldenschnitt der öffentlichen Gläubiger für Griechenland nicht herumkommen", sagte Oettinger der "Bild"-Zeitung.
Finanzminister Schäuble zeigte sich zuversichtlich, dass man Dienstag eine Einigung finden werde. Vergangene Woche war der Streit unter den Geldgebern offen ausgebrochen: Der IWF pocht auf einen Abbau des griechischen Schuldenbergs auf 120 Prozent der Wirtschaftskraft bis 2020. Die Euro-Gruppe will bis 2022 Zeit geben, ist sich aber uneins, wie die Mehrkosten finanziert werden sollen. Deutschland und Frankreich haben angekündigt, dass Griechenland am Dienstag die politische Zusage für die nächste Hilfstranche erhalten soll, die sich inklusive bislang nicht geleisteter Zahlungen auf bis zu 44 Milliarden Euro belaufen kann.
fab/dpa/Reuters
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