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markets 4/2012: Myanmar - Zurück auf der Landkarte

Kurswechsel. Mit weitreichenden Reformen strebt Myanmar ein höheres Niveau für Wachstum und Prosperität an. Dass Brüssel die Sanktionen ausgesetzt hat, öffnet deutschen Unternehmen die Tür für neue Geschäftsbeziehungen. Text: Dr. Waldemar Duscha, Bangkok

Ein halbes Jahrhundert der Selbstisolation geht zu Ende! In ungeahntem Tempo zieht Myanmars Regierung unter Staatspräsident Thein Sein einen strammen Reformkurs durch. Dem Arbeitsgesetz folgte ein verbessertes Auslandsinvestitionsgesetz. Sonderwirtschaftszonen versprechen Investitionsanreize für ausländische Unternehmen. Der vereinheitlichte Wechselkurs garantiert eine höhere Währungssicherheit, und ein neues Bankgesetz soll der Zentralbank mehr Unabhängigkeit einräumen. Diese will das hohe Zinsniveau regional angleichen. Spätestens 2015 werden ausländische Kreditanstalten zum vollen Bankgeschäft autorisiert. Bisher läuft der Zahlungsverkehr für Importgeschäfte zumeist über Singapur.

Bei der Eingliederung in die globale Wirtschaft orientiert sich das südostasiatische Land an internationalen Standards und Regeln. Den Weg dafür haben Konsultationen mit dem Internationalen Währungsfonds bereitet. Das gewährleistet gleichzeitig eine höhere Transparenz über Wirtschafts- und Finanzdaten. Auch die Weltbank eröffnet wieder ein Büro im Land, um Entwicklungshilfeprojekte zu fördern. Die Ablösung der externen Altschulden dürfte den Weg für neue Darlehen der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank frei machen. Die bisherigen Fortschritte in Politik und Wirtschaft würdigte die Europäische Kommission, indem sie Sanktionen, die schon 2006 verhängt wurden, weitgehend für ein Jahr aussetzt. Konkret betrifft dies Einreiseverbote, Vermögenssperren und Handelsbeschränkungen, die als Reaktion auf anhaltende Menschenrechtsverletzungen verhängt worden waren.

Obwohl der wirtschaftliche Rückstand gewaltig ist, hat sich Myanmar in den letzten Jahren sukzessive nach außen geöffnet und sich dabei zunächst auf Ost- und Südostasien konzentriert. Die Integrationsbemühungen tragen Früchte: So wird das nächste Gipfeltreffen der Association of Southeast Asian Nations im Jahr 2014 in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw stattfinden. Thailand ist der zweitwichtigste Handelspartner Myanmars nach China. Dabei übt vor allem der Reichtum an Wasserkraft und Erdgas große Anziehungskraft aus. Chinesische Unternehmen engagieren sich intensiv in der Hydroenergie und bauen eine 900 Kilometer lange Erdgas- und Erdölpipeline von Kyaukpyu nach Kunming. Thailands Erdölkonzern PPT wird ab 2013 zwei bedeutende Erdgasfelder ausbeuten und plant, langfristig rund ein Viertel des thailändischen Erdgasbedarfs aus Myanmar zu beziehen.

Das Interesse asiatischer Investoren ist groß. „Während früher hauptsächlich chinesische und koreanische Unternehmen auf den Markt drängten, erleben wir neuerdings einen sehr aggressiven Ansturm aus Japan“, konstatiert ein führendes Handelsunternehmen. Demnach interessieren sich Japans Großkonzerne wie Mitsubishi, Mitsui oder Sumitomo überaus stark für eine Niederlassung im Industriepark Thilawa südlich von Rangun – einer der drei geplanten Sonderwirtschaftszonen neben Dawei und Kyaukpyu. Der Schwerpunkt asiatischer Investitionen beschränkt sich auf einfache arbeitsintensive Industrien wie etwa die Nahrungsmittelverarbeitung oder die Textil- und Bekleidungsindustrie.

Ungeachtet der starken asiatischen Präsenz bieten sich für deutsche Anbieter von Maschinen und Ausrüstungen gute Marktchancen, da made in Germany im Land für Qualität und Langlebigkeit steht. „Ohne die Sanktionen hätten wir im letzten Jahr Ausrüstungen im Wert von gut 50 Millionen US-Dollar aus Deutschland importiert, wie etwa Kräne und Containerbrücken von Liebherr“, erklärt Khin Maung Win von der Caterpillar-Vertretung MSP CAT. Interesse bestehe auch an deutschen Sanitärarmaturen, die zwar teurer, aber leistungsfähiger seien. 2011 erzielte MSP CAT einen Jahresumsatz von rund 100 Millionen US-Dollar. Den Gesamtmarkt für Bau- und Bergbaumaschinen schätzte die Firma auf circa 1,5 Milliarden US-Dollar.

Deutsche Unternehmen betreiben so auch zunehmend Fact-Finding vor Ort, allerdings eher in der Absicht, eine Handelsbeziehung aufzubauen. Mittelfristig sind auch Direktinvestitionen denkbar – die Pionierrolle könnte noch in diesem Jahr einem Unternehmen aus der Medizintechnik zufallen, heißt es in Rangun.

Auch Kapitän Jerzy Wilk von Uniteam Maritime geht von wachsenden Chancen für europäische Unternehmen aus. „Ohne die Sanktionen wird sich der Markt auch dem Westen öffnen, was tendenziell einen wirtschaftlichen Kurswechsel in Richtung Europa bedeuten könnte“, mutmaßt der Niederlassungsleiter der in Rangun ansässigen internationalen Schiffsmanagementfirma. „Die großen Zukunftsmärkte liegen zunächst im Bergbau, in der Energieversorgung und der sonstigen Infrastruktur.“ Vor allem die Businessmetropole Rangun bedarf einer neuen Wasserinfrastruktur wie auch einer effizienteren Stromversorgung – Stromausfälle sind an der Tagesordnung. Als großer Fürsprecher für eine stärkere Anlehnung an Europa gilt Industrieminister Soe Thane, der wohl wie kaum ein anderer den neuen Reformgeist repräsentiert.

Die Vertriebswege und Handelsstrukturen sind in Myanmar bislang jedoch weniger transparent als in den Nachbarländern, zumal vieles erst im Aufbau ist. In Rangun haben sich bereits zahlreiche Handelsagenten niedergelassen, darunter einige „Glücksritter“. Die Auswahl gestaltet sich schwierig, da es bisher keine professionellen Auskunfteien gibt. Die Lage könnte sich schlagartig bessern, wenn sich internationale Prüfungs- und Beratungsgesellschaften wie KPMG oder PricewaterhouseCoopers voll etablierten. Als Ausweg empfiehlt sich die Kontaktaufnahme zu erfahrenen Unternehmen oder Handelshäusern vor Ort, wie etwa MEL Services (ehemals Melchers Techexport). Da bereits ein Großteil von Geschäftsbeziehungen über Thailand läuft, ließe sich auch Bangkok als Gateway nutzen.

Die reiche Geschichte und Kultur Myanmars hat eigene Verhaltensmuster erzeugt, die für Ausländer oft schwer einzuschätzen sind. „Wenn meine Beschäftigten nichts sagen, sondern mich nur freundlich anlächeln, dann frage ich mich, was falsch gelaufen ist“, kommentiert ein Schweizer Unternehmer. Den Schlüssel für ein harmonisches Arbeitsverhältnis bringt er auf die Formel „Coaching and Powering“ – fortlaufende Ausbildung mit dem Ziel einer kontinuierlich wachsenden Qualifizierung. „Das bewirkt den Respekt, der für ein langjährig gutes Verhältnis zu den Mitarbeitern unabdingbar ist.“ 

Weitere Informationen: Helmut Kahlert, asien@gtai.de

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