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Südostasien-Experte im Interview: „Vielfalt ist die Stärke der Asean-Staaten“

Südostasien ist nicht nur aufgrund seiner politischen Entwicklungen interessant. Asean-Experte Nico Westphal spricht im Handelsblatt-Interview über die Chancen und Risiken, die sich Unternehmen in der Region bieten.

Nico Westphal ist Regionalmanager Asien-Pazifik beim Ostasiatischen Verein (OAV) in Hamburg.
Nico Westphal ist Regionalmanager Asien-Pazifik beim Ostasiatischen Verein (OAV) in Hamburg.

Herr Westphal, die Europäische Union suspendiert ihre Sanktionen gegen Myanmar, um die Reformbestrebungen der Regierung zu unterstützen. Was bedeutet das für den Handel mit diesem Land?

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Zunächst sollten wir es als positives Zeichen deuten. Es unterstreicht das wachsende Vertrauen der EU in die Fortführung des Reform- und Öffnungsprozesses in Myanmar. Es ist vor allen Dingen ein politisches Signal, welches jedoch auch für den Handel hoffentlich positive Wirkungen haben wird. Immerhin werden europäische Unternehmen explizit ermutigt, Möglichkeiten für Handel und Investitionen zu eruieren und der myanmarischen Regierung Unterstützung bei der Schaffung eines förderlichen Rechtsrahmens zugesichert. Außerdem soll das Land sobald als möglich wieder in das Allgemeine Zollpräferenzsystem aufgenommen werden.

Bedeutet das jetzt einen Investitionsboom für dieses Land?

Wir sollten nicht erwarten, dass die Investitionen von heute auf morgen in die Höhe schnellen. Zwar wird noch in diesem Monat die Verabschiedung und Unterzeichnung eines überarbeiteten Investitionsgesetzes in Myanmar erwartet. Auch die Wechselkursreform von Anfang April wird dem Handel mit Myanmar positive Impulse geben. Doch um in Myanmar tätig zu werden oder mit myanmarischen Unternehmen Handel zu treiben, bleiben große Hürden zu nehmen.

Deutsche Unternehmen sollten sich der Konkurrenz aus den asiatischen Ländern bewusst sein. Diese konnten über die letzten Jahre ihre Marktposition in Myanmar festigen. Hinzu kommt, dass deutsche Exporteure auch in naher Zukunft nicht mit hermesgedeckten Krediten rechnen können. Hierzu müsste erst noch das Problem der mehr als 700 Millionen Euro Altschulden gegenüber Deutschland gelöst werden. Hier ist die deutsche Regierung gefordert, schnellstmöglich Lösungen zu finden.

Und wie präsentiert sich das Land selbst als Destination für Investitionen?

Die größten Hindernisse bleiben bestehen. Das Bankensystem bleibt mangelhaft, es fehlt an entsprechendem Know-how. Die Infrastruktur muss in allen Bereichen erneuert und ausgebaut werden. Auch die Rechtssicherheit ist unzureichend. Außerdem müssen sich deutsche Unternehmen innerhalb der entsprechenden Netzwerke erst einmal etablieren, Vertrauen aufbauen und ihre Produkte im Markt platzieren.

Myanmar bietet Investoren aber auch viele Gelegenheiten…

Allerdings. Dieses ressourcenreiche Land mit seinen etwa 60 Millionen Einwohnern hat enormes Potential. Beispielsweise in der Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung, sowie in der Infrastrukturplanung und im Ausbau, seien es Straßen, Wasser- und Abwasserleitungen oder Energieerzeugung und -distribution. Aber auch in Bereichen wie der Gesundheitswirtschaft können deutsche Unternehmen mit ihren Produkten sicher auf dem Markt überzeugen. Denn allgemein gilt auch in Myanmar: Produkte und Qualität „Made in Germany“ haben einen sehr guten Ruf.

Der konkret spürbare Demokratisierungsprozess ist gerade mal ein paar Monate alt. Meinen Sie nicht, die EU ist etwas zu blauäugig, wenn sie den ehemaligen Generälen glaubt, sie meinten es mit der Öffnung des Landes ernst?

Sicher gab es in der Vergangenheit immer wieder Rückschläge, nachdem es zunächst Anzeichen einer Öffnung gab. Daher sollte man den Prozess auch weiterhin mit einiger Vorsicht verfolgen. Trotzdem: Eine derart rasante und grundlegende Entwicklung wie in den vergangenen Monaten war nicht zu erwarten und es ist kaum vorstellbar, dass die Bevölkerung und die Regierungen der übrigen Asean-Staaten eine plötzliche Kehrtwende hinnehmen würden. Und doch bleibt die Gefahr, dass einige Personen fürchten, ihre bisherigen Vorteile zu verlieren. Auch die noch immer schwelenden Konflikte oder recht frischen Waffenstillstandsabkommen mit den ethnischen Minderheiten bergen weiterhin Konfliktpotential.

Zugleich zeigen Teile der Opposition noch immer eine eingeschränkte Kooperationsbereitschaft mit Regierung und Militär. Es bleibt abzuwarten, wie die einzelnen Akteure mit kommenden Konflikten – die es in einem demokratischen System immer wieder gibt – umgehen werden. Zu guter Letzt muss auch die Bevölkerung von den Reformen profitieren, durch mehr und bessere soziale Dienstleitungen aber auch durch Beschäftigung, höhere Einkommen, einen starken Privatsektor und verbesserte Infrastruktur.

Können deutsche Unternehmen den Demokratisierungsprozess unterstützen?

Asien

Ein wichtiges Element, um den Prozess positiv zu gestalten, ist für Wachstum durch Handel und Investitionen zu sorgen. Dabei spielen natürlich auch deutsche Unternehmen eine große Rolle sowohl als Arbeitgeber und gute „corporate citizens“ als auch als Lieferanten qualitativ hochwertiger Güter und Dienstleitungen.

Alles redet von den Wachstumsnationen China und Indien. Die Asean-Staaten dagegen sind weniger auf dem Radar der deutschen Wirtschaft. Das zumindest sagen Unternehmen, die dort engagiert sind. Verschläft Deutschland die Chancen in diesen zehn Ländern?

Natürlich denken viele Unternehmer bei den asiatischen Wachstumsmärkten oft erst einmal an China und Indien. Das ist ja auch nachvollziehbar, betrachtet man den beispiellosen Aufstieg Chinas in den vergangenen Jahrzehnten und die Größe beider Binnenmärkte. Und doch sehen wir in den letzten Jahren eine stetig steigende Nachfrage deutscher Unternehmen nach Informationen zu Marktpotentialen und Investitionsbedingungen in Südostasien.

Innerhalb Aseans ist den meisten Singapur als Tor zur Region und Standort für regionale Niederlassungen bekannt. Aber auch in den übrigen Staaten sind deutsche Unternehmen aktiv. BASF beispielsweise hat kürzlich weitere Investitionen von etwa eine Milliarde Euro im Rahmen eines Joint Ventures mit dem Mineralölkonzern Petronas angekündigt, Lufthansa Technik hat im Februar seine Wartungs- und Überholungsanlagen für den A380 in Manila ausgebaut. Aber auch deutsche Mittelständler zieht es nach Südostasien.

Die politische und wirtschaftliche Situation könnte unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite das wenig entwickelte Laos, auf der anderen der Hightech-Staat Singapur. Dann das sozialistische Vietnam, und das gerade aus einer Diktatur erwachende Myanmar. Hat Asean wirklich eine Zukunft?

Tatsächlich würde ich es genau anders herum betrachten; es ist die Vielfalt, die die Stärke der Asean-Region ausmacht. Das ist nicht nur das Verständnis der Staaten untereinander. Unternehmen können von verschiedenen Standortvorteilen profitieren, diese in regionalen Wertschöpfungsketten verknüpfen und zugleich den großen Binnenmarkt nutzen. Der Asean-Staatenbund hat das Konsensprinzip zur Grundlage. Gepaart mit wirtschaftlicher Einheit erwächst daraus eine sich gegenseitig verstärkende Kraft. Und doch bergen Dauerkonflikte wie am Tempel Preah Vihear, im südchinesischen Meer oder auch innerstaatliche Spannungen immer auch ein gewisses Konfliktpotential.

2015 soll die Asean Economic Community in Kraft treten, die AEC, ein gemeinsamer Markt im Verband der südostasiatischen Staaten. Wie laufen die Vorbereitungen?

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Der Prozess der wirtschaftlichen Integration und des Ausbaus eines gemeinsamen Binnenmarktes wurde bereits um die Jahrtausendwende eingeleitet und im Jahr 2007 mit dem Asean Economic Blueprint detailliert ausgearbeitet. Heute sind zwischen den Asean-6-Staaten (Brunei, Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand) bereits für über 99 Prozent der Waren die Zölle gestrichen. In den übrigen vier Ländern sind ebenfalls 99 Prozent der Waren mit Zöllen von nur noch null bis fünf Prozent belastet.

Aber es gibt auch noch einige Hürden zu überwinden?

Das ist richtig, es bleiben weiterhin einige Hindernisse bei der vollständigen Integration. So ist die infrastrukturelle Anbindung noch unzureichend. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) investiert gemeinsam mit den Asean-Staaten hohe Millionenbeträge in grenzüberschreitende Infrastrukturvorhaben und den Ausbau von Wirtschaftskorridoren. Auch nicht-tarifäre Hindernisse bleiben bestehen und die Integration der Dienstleistungsmärkte bleibt hinter den Plänen zurück. Das Jahr 2015 sollte man nicht als Fixpunkt, sondern als Wegmarke betrachten. In jedem Fall ist der Integrationsprozess im Gange und wird sich positiv auf Geschäftstätigkeiten in ganz Asien-Pazifik auswirken. 

Was erwarten sich die südostasiatischen Staaten von diesem gemeinsamen Markt?

Natürlich müssen sich die Länder Südostasiens innerhalb der Region positionieren. Ihre Vielfalt ist ihre Stärke, wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Wohlstand der Garant für ein friedliches Miteinander. Durch die Schaffung eines Binnenmarktes bei gleichzeitiger Einbindung in die Weltwirtschaft durch Freihandelsabkommen mit den asiatischen Nachbarn und westlichen Staaten werden die Asean-Staaten diese Vorteile voll nutzen können. 

Welche Vorteile und Chancen bieten sich der deutschen Wirtschaft in den Asean-Staaten?

Der Informationsbedarf bei den Unternehmen zu Südostasien wächst stetig. Und das nicht zu Unrecht. Immerhin haben wir hier einen Markt mit fast 600 Millionen Einwohnern, eine junge, strebsame Bevölkerung bei zugleich wettbewerbsfähigen Lohnkosten und einer guten Ressourcenbasis. Dies, gepaart mit der in Asien weit verbreiteten Offenheit für Innovationen und einer im regionalen Vergleich hohen Reformbereitschaft, bietet beste Voraussetzungen für deutsche Unternehmen.

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So ist beispielsweise der Markt für Erneuerbare Energien und energieeffiziente Technik hochinteressant, aber auch als Produktionsstandort, beispielsweise für die Schuh- und Textilbranche, sind Länder wie Vietnam, Kambodscha und auch Indonesien interessante Destinationen. Andere Länder sind prädestiniert für die High-Tech-Branche und Elektronikindustrie.

In jedem Fall müssen Unternehmer umdenken: Wer heute in Südostasien produziert, der hat die regionalen Märkte im Blick, weniger den Export nach Europa. Durch regionale Wertschöpfungsketten finden das Sourcing von Rohstoffen, ihre Verarbeitung und der Absatz des Endprodukts heute oft in der Region selbst statt. Der innerasiatische Handel übersteigt heute die Importe aus Europa um ein Vielfaches. Durch Freihandelsabkommen mit China, Indien, Japan, Korea, Australien und Neuseeland stehen Unternehmen die wichtigsten Märkte der Region offen.

Sie sagten vorhin, auch deutsche Mittelständler zöge es nach Südostasien. Sind die Asean-Länder nicht zu komplex, zu schwierig, für kleinere Unternehmen?

Die Herausforderung und zugleich das Potenzial der Region bleibt ihre Komplexität. Es heißt daher zunächst, man braucht einen langen Atem, muss die Länder sehr genau analysieren und gegeneinander abwägen und natürlich auch die richtigen persönlichen Beziehungen aufbauen. Das ist für ein mittelständisches Unternehmen zunächst natürlich oft schwierig, manchmal vielleicht sogar abschreckend. Um sie hier zu unterstützen gibt es eine Vielzahl von Angeboten zur Marktinformation und -erkundung sowie zur ersten Kontaktherstellung. Neben den IHKs bieten die deutschen Auslandshandelskammern und der OAV – German Asia-Pacific Business Association - immer wieder die Möglichkeit bei Unternehmerreisen die Märkte kennenzulernen.

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Es bieten sich viele Potentiale, auch in Bereichen, wo man sich zunächst der asiatischen Konkurrenz unterlegen fühlt. Denn Qualität hat einen hohen Stellenwert. Perspektivisch bietet die rasant wachsende Mittelschicht einen stetig wachsenden Absatzmarkt. Und für das produzierende Gewerbe bleiben vergleichsweise niedrige Lohnkosten sowie lernwillige und lernfähige Mitarbeiter weiter ein positiver Faktor. 

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