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Asien Kurier 11/2008 vom 1. November 2008
Myanmar

Heißes Pflaster für Investitionen

Gespräch mit Horst Rudolf über die Wirtschaftsaussichten in Myanmar, Rohöl und Gas, sowie das Engagement von China und Indien.

Von Ralph Rieth

Asien Kurier: Herr Rudolf, Sie sind unseren Lesern bereits als Wirtschafts- und Politik-Analyst in Asien bekannt. Woher kommt Ihr plötzliches Interesse an Myanmar oder Burma, wie es auch genannt wird?

Horst Rudolf: Mein Interesse an Myanmar ist keineswegs neu, im Gegenteil. Ich war von 1998 bis 2001 als Ständiger Vertreter des Botschafters an der deutschen Botschaft in Yangon tätig und vor allem auch für Wirtschaftsfragen zuständig. Nach meiner Entscheidung, das angenehme Leben eines Diplomaten gegen die Herausforderungen der freien Wirtschaft einzutauschen, wollte ich ursprünglich sogar eine Firma für IT-Software in Yangon gründen, aber das erwies sich als äußerst schwierig.

Asien Kurier: Aufgrund der politischen Lage?

Horst Rudolf: Nein, nur indirekt. Vor allem fehlten damals die technisch notwendige Grundlagen, ein stabiler Zugang zum Internet und eine verlässliche Stromversorgung. Wenn Sie Kunden in Europa haben, wollen die nicht drei Tage auf eine Antwort-Email warten.

Asien Kurier: Und das hat sich jetzt verbessert?

Horst Rudolf: Teilweise, die Stromversorgung ist immer noch instabil, aber es gibt verschiedene Zugänge zum Internet. Zwar gab es kurzfristige Unterbrechungen auch anlässlich von Unruhen, doch scheint die Regierung sehr schnell verstanden zu haben, dass man sich und vor allem der eigenen Wirtschaft das Wasser abgräbt, wenn man das Netz nicht nur überwacht, sondern ganz abschaltet. Jetzt gelten ähnliche Spielregeln, wie in China - Business ja, Politik nein.

Asien Kurier: Die Militärs in der neuen Hauptstadt Naypyidaw gelten doch weithin als undurchsichtig. Kann man tatsächlich von einer gewissen Verlässlichkeit sprechen?

Horst Rudolf: Erstaunlicherweise sind die Generäle in ihren Handlungen durchaus transparent und konsistent - wenn auch nicht immer nach westlicher Logik oder unserem Geschmack. Doch haben Sie jemals gehört, dass die Pipeline, deren Gas einen wichtigen Teil von Thailand, einschließlich Bangkok, versorgt, auch nur eine Minute aus politischen Gründen abgeschaltet wurde? - da herrschen in Europa viel schlimmere Zustände.

Asien Kurier: Trotzdem hat Myanmar einen sehr schlechten Ruf, insbesondere bei Menschenrechtlern, aber auch bei unseren Lesern, den Geschäftsleuten und Investoren.

Horst Rudolf: Leider zurecht; denn beispielsweise im Gegensatz zu Thailand gilt das Land als ethnisch zersplittert, neben den Burmesen gibt es viele andere Gruppeh, wie die Shan, Karen, Rohingyas, Chin, Mon und anderen. Daher auch der Versuch der Regierung, durch die Wahl eines neuen Namens wie "Myanmar" die Dominanz der burmesischen Volksgruppe für die anderen etwas leichter verdaulich zu machen. Dass im Süden Thailands fast täglich Bomben hochgehen, wird weithin ignoriert, denn in diesen Gebieten investieren nur wenige Ausländer. In Myanmar ist die Situation ähnlich; da gibt es einige Regionen, die man besser nicht bereist.

Die schlechte Lage bei den Menschenrechten wird immer wieder mit der ethnischen Vielfalt erklärt - die Generäle fühlen sich immer noch im Krieg und kämpfen gegen echte Aufständische ebenso überzeugt wie gegen vermeintliche innere Feinde. Was ihnen anscheinend nicht klar ist: vor dreihundert Jahren sah es in der Schweiz auch nicht anders. Doch mit dem wirtschaftlichen Wohlstand hört bei den eidgenössischen ?Stämmen? die Lust am Kampf sehr schnell auf und selbst die schlimmsten Feinde finden sich sehr schnell an den Futtertrögen zusammen, wenn nur etwas lukratives zu holen ist.

Asien Kurier: Und diese Tröge sollen sich in Myanmar plötzlich füllen?

Horst Rudolf: Hoffentlich, wenn auch nicht kurzfristig! Denn noch nie gab es in diesem Land so viel zu holen, wie seit wenigen Jahren. Dass das alte Burma reich war, wussten auch die englischen Invasoren im vergangenen Jahrhundert. Vor 60 Jahren war das Land weltweit größter Reisexporteur, und wer mit der Lufthansa nach Bangkok wollte, musste erstmal in Rangun (heute Yangon) zwischenlanden - heute ist es umgekehrt. Wer in Hongkong etwas auf sich hielt, schickte damals seine Söhne auf Universitäten in Burma ? auch das läuft derzeit in umgekehrter Richtung.

Im Gegensatz zu Thailand verlief eben alles anders. Dort gab es keine Kolonisatoren, die den Opiumhandel als Mittel der politischen Manipulation förderten, man hatte einen König, der das Land eint und fördert, die Oberschicht nimmt nur ihren Anteil, doch niemand kassiert gleich den Großteil der Staatsfinanzen. Myanmar ging eher den Weg der DDR, man erfand Ideologien, ein Staatsmonopol-kapitalistisches Wirtschaftssystem und hatte dann auch noch einen Diktator, der eher seinem Astrologen als Fachleuten traute.

Asien Kurier: Nochmals: was hat sich denn dann geändert?

Horst Rudolf: Vordergründig wenig, denn das derzeitige System ist praktisch der Ausläufer des alten. Doch dahinter hat sich viel gedreht, auch wenn die Auswirkungen bisher kaum sichtbar sind. Zum ersten gibt es keine Ideologie mehr, abgesehen von der staatlichen Priorität, das Land nicht auseinanderfallen zu lassen. Längst wurde auf dem Papier die Marktwirtschaft deklariert, eine Menge wirtschaftsfreundlicher Gesetze erlassen und bereits seit den 90er Jahren massiv mit ausländischen Investitionen gearbeitet.

Asien Kurier: Und trotzdem funktioniert die Wirtschaft immer noch nicht, es geht doch weiter bergab!

Asien Kurier: Ja, weil die Generäle - selbst wenn man alle Augen zudrückt - meinen, dass man Wirtschaftswachstum befehlen kann, ausländischen Beratern nicht über den Weg trauen und sich derart bedroht sehen, dass sie sich rundherum absichern - und natürlich auch ungern irgendjemanden Geschäfte machen lassen, dem sie nicht hundertprozentig vertrauen - beispielsweise den eigenen Familienangehörigen.

Dies sind natürlich erhebliche Hindernisse auf dem Weg zur Marktwirtschaft, denn bisher haben die Generäle vor allem den Mangel verwaltet und sich abgesichert, nun entdecken sie plötzlich ganz andere Möglichkeiten, alle Interessen vielleicht doch noch unter einen Hut zu bringen.

Asien Kurier: Wunschdenken der Generäle oder Realität?

Diesmal Realität, zumindest, was die Chancen angeht. Es begann mit der Entdeckung mächtiger Gasfelder südlich von Yangon im Meer. Nun fließen die Devisen aus Thailand rund um die Uhr. Doch das war nur der Anfang. Man fand nicht nur neue Felder, die nun mit Milliarden-Investitionen, unter anderem von der thailändischen PTT, erschlossen werden, auch im Norden, an der Grenze zu Bangladesch, ist das Meer voller Gas-Blasen, von denen bereits 170 Milliarden m3 (6.000 Mrd. Kubikfuß) nachgewiesen sind. Auch im Inland gibt es mehr ? bisher kleinere ? Öl- und Gasfelder, als allgemein bekannt ist. Kein Wunder, dass bereits die Chinesen auf dem Festland, dann aber auch die Inder bei den neuentdeckten Offshore-Gasfeldern einstiegen, um diese für ihr energiearmes Umland von Kalkutta zu erschließen.

Doch wieder einmal zeigte sich, dass Wirtschaftsdiktaturen effizienter sind als gestandene Demokratien: kaum war klar, dass hier ein enormes Potential vergraben lag, stritten sich das demokratische Indien und Bangladesch um die Transitrechte - bis die Chinesen zwischenzeitlich errechnet hatten, dass sich auch eine Pipeline aus diesen Feldern quer durch Myanmar ins chinesische Yunnan-Hinterland rechnen könnte.

Und kaum waren die ersten "Memoranda of Understanding" zum ungläubigen Staunen der Inder und ihrer Nachbarn unterschrieben, sprang der kapitalische Phantasiefunke voll über: man könnte einen Tiefseehafen an Myanmars Küste am Indischen Ozean ausbauen, lässt dort die Hundertschaften an Öltankern aus dem Nahen Osten andocken und pumpt das Ganze parallel zur Gas-Pipeline nach China - durch vergleichsweise sicheres Gelände, und "hinter" Mandalay wird sowieso bereits der chinesische Renminbi als Handelswährung benutzt.

Doch es kommt noch viel besser: wenn schon für die Pipelines trassiert wird, können auch die alten Träume einer Landverbindung vom Osten Indiens ins aufstrebende chinesische Hinterland wieder aufleben - ?India goes east? - einschließlich der berühmten "Ledo-Road" der Kolonialzeit. Bisher waren diese Pläne politisch und vor allem ökonomisch irrealistisch. Nun geht es mit Asien bergauf, ebenso wie mit den Energiepreisen.

Plötzlich wird aus risikoreichen Träumen - sehr wahrscheinlich - Realität. Denn entlang der neuen Trasse wird man natürlich Raffinerien bauen, Chemiekombinate, Düngemittel-Fabriken etc. Und sollten sich die Planspiele weiter rechnen, kann China auch sein Stückgut in wenigen Jahren auf die Schiene/Strasse verfrachten - das rechnet sich, angesichts einer Einsparung von fast 3000 km Transportstrecken. Denn die begehrten Güter müssen ja derzeit nicht nur im Süden durch die piraten-verseuchte Meerenge von Malakka und dann wieder nach Norden geschifft werden, von dort geht es ja wieder auf dem Landweg ?zurück? ins chinesische Hinterland, ein riesiger Umweg.

Asien Kurier: Gibt es da nicht inzwischen Konkurrenz-Projekte, die die perfekte Kalkulation stören?

Horst Rudolf: Das geniale an diesem Vorhaben ist, dass es kaum mit den gleichzeitig laufenden beziehungsweise angedachten Projekten im Süden kollidiert, denn sowohl ein - völlig spekulativer - thailändischer ?Isthmus-Kanal? wie auch das mehr oder weniger angelaufene Vorhaben einer ?Trans-Malaysia-Pipeline? sind dazu gedacht, einen anderen Wirtschaftsraum zu beliefern, als das Myanmar-Projekt. Diese sogenannte ?Südschiene? käme vor allem Lieferungen im Pazifischen Ozean, bis hinauf nach Japan zugute. Zudem steht das Malaysia-Projekt auf eher schwachen wirtschaftlichen Füßen. Die Thailänder wiederum sind erneut mit ihrer Innenpolitik blockiert und schieben alle ?Mega-Projekte? auf die lange Bank.

Auch kritische Finanziers, die sich bisher an den zuletzt genannten Vorhaben gerieben haben, könnten die Infrastruktur-Investitionen der Regierung von Myanmar plötzlich als relativ sichere Bank einstufen. Dass auch dies kein Zweckoptimismus ist, zeigen die hektische Besuchsaktivitäten der vergangenen Wochen. Kaum waren die Schäden des Wirbelsturms ?Nargis? auch nur teilweise bereinigt, gaben sich Besucher von Südkorea über China, Vietnam und Thailand, aber vor allem der Premierminister von Kuweit, Scheich Nasser Al-Mohammed Al-Ahmed Al-Jaber Al-Sabah, die Klinken in die Hand.

Die Herren im weißen Talar verschwenden in der Regel ihre Zeit nicht mit Ländern, mit denen keine Geschäfte zu machen sind. Folgerichtig bereiste der myanmarische Außenminister nicht nur ? und erstaunlich lange ? die Golfregion, sondern wurde erst im September auch im Öl-Königreich Brunei Darussalam sogar vom König, Sultan Haji Hassanal Bolkiah Mu'izzaddin Waddaula empfangen. Warum diese Aufzählung? Weil sie zeigt, dass der politische Beliebtheitsgrad eines Landes nicht mit seiner wirtschaftlichen Potenz gleichzusetzen ist.

Asien Kurier: Heißt das, Sie nennen Myanmar in einem Atemzug mit den Ölstaaten dieser Welt?

Horst Rudolf: Ja, und zwar in wenigen Jahren. Die einzige Bedingung ist, das die Weltwirtschaft nicht zusammenbricht ? was aber alle Länder betrifft ? und die Nachfrage nach Primärenergie anhält. Vor allem hat Myanmar nicht nur viel Gas, Öl und andere Bodenschätze, sondern sie sitzen auch auf den größten Wasserreserven, den bedeutensten Staudammprojekten Südostasiens ? doch dazu ein anderes Mal.

Sprichwörtlich bleibt auch den Indern jetzt nichts übrig, als auf diesen "Zug" aufzuspringen und mit einer nordöstlichen Zubringerverbindung die neue West-Ost-Achse zu bereichern. Dass auch dies keine hohlen Ideen mehr sind, zeigen die fortgeschrittenen indischen Pläne zum Ausbau des Hafens von Sittwe an der Westküste Myanmars für satte 100 Millionen US-Dollar - quasi in Sichtweite der Pipelines. An diesen wiederum wird - guten Quellen zufolge - bereits von ersten chinesisch-burmesischen Bautrupps gebaggert.

Asien Kurier: Bleibt da nicht doch ein politisches Risiko, sogenannte ?demokratische" Wahlen 2010?

Horst Rudolf: Auch dieses Risiko ist beschränkt ? doch erstaunlicherweise nicht, weil irgend jemand den Machthabern vertraut, sondern weil man davon ausgehen kann, dass China angesichts massiver Interessen in Myanmar und täglich steigender Investitionen in Milliardenhöhe gar keinen Zusammenbruch des Landes riskieren kann. Nebenbei: auch Indien hat daran keinerlei Interesse.

Asien Kurier: Was empfehlen Sie dann deutschen Geschäftsleuten und vor allem Investoren?

Horst Rudolf: Da gibt es einiges ? gerade haben wir auf die vierte erfolgreiche Ernte eines deutschen Weinproduzenten im Hochland Myanmars angestoßen. Doch angesichts der komplexen Situation im Land passt dies nicht mehr in den Rahmen dieses Gesprächs ? doch die Fortsetzung folgt. Zum Trost, auch in China waren deutsche Investoren nicht die schnellsten. Nun sind sie umso erfolgreicher dabei, und Myanmar ist heute gerade erst am Aufwachen.

Horst Rudolf, Jahrgang 1948, Diplom-Volkswirt (Frankfurt/Genf), sammelte einige Jahre Erfahrungen im Industrie- und Bankensektor in Deutschland und Frankreich, bevor er seine erste Position als Entwicklungsberater in Westafrika übernahm. Zu den damaligen Herausforderungen gehörte unter anderem der Aufbau der "West African Development Bank".

1979 trat er in den diplomatischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unterschiedliche Funktionen in der Bonner Zentrale und bei Auslandseinsätzen in Südamerika, Afrika und Südosteuropa wahrnahm. So war er in Bonn Pressesprecher, politischer Referent und in der Leitung des Bereiches Kommunikation und Informationstechnologie tätig, in Afrika arbeitete er als Geschäftsträger und zuletzt als Botschafter in Gabun - einem Erdöl-Förderland am Äquator.

Von 1998 bis 2001 war Herr Rudolf als Ständiger Vertreter des Botschafters an der diplomatischen Vertretung in Yangon, Myanmar, auf Posten, wo er sich vor allem mit der schwierigen Wirtschaftslage und der Unterstützung deutscher Geschäftsinteressen beschäftigte. Statt als Diplomat nach Berlin zurückzukehren, zog er es vor, die Chancen der aufstrebenden asiatischen Region zu nutzen und arbeitet seither als regionaler Analyst und Wirtschaftsberater, überwiegend von Bangkok aus.





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