Asien Kurier, Wirtschaft und Politik in Asien Maschinen- und Anlagenbau in Asien 2012 Neu ! - Maschinen- und Anlagenbau in Osteuropa 2012 [1]Startseite [2]Archiv [3]Buecher [4]Produkt-Piraterie [5]Anzeigen / Ads [6]Abo, Kontakt [7]Asiatische Webseiten [8]Industriereports [9]Ueber uns Asien Kurier 1/2009 vom 1. Januar 2009 [10]Zurueck zur Artikelliste Myanmar Ungenutzte Geschaeftschancen Von Ralph Rieth Asien Kurier: Nachdem sie unseren Lesern den grossen Traum vom Oel- und Gasgeschaeft erlaeutert und etwas tiefere Einsichten in das komplizierte Geflecht der Geschichte ?Burmas? vermittelt haben, bleibt die Frage: was hat Myanmar denn sonst zu bieten, falls sich unsere Leser intensiver mit diesem exotischen Land beschaeftigen wollen? Horst Rudolf: Myanmar und seine Wirtschaft haben der Wall Street eines voraus: die Risiken sind weitgehend bekannt und kein Investor traeumt vom Staat, der ihn rettet. Immerhin hat Myanmar in den letzten Jahren wieder an Attraktivitaet gewonnen - vor allem aufgrund seiner natuerlichen Reichtuemer. Doch angesichts eines schwierigen Umfelds haben seit der Liberalisierung des Wirtschaftslebens vor ueber 15 Jahren viele Investoren wieder aufgegeben. Trotzdem versuchen selbst grosse Konzerne, die bisher keine Nettogewinne gemacht haben, einen Fuss in der Tuer zu behalten. Asien Kurier: Duerfen Sie Namen oder Beispiele nennen? Horst Rudolf: Die sind durchaus bekannt: der Textilkonzern Triumph hat sein Werk geschlossen, obwohl der Betrieb gut lief und die Mitarbeiter nachweislich zufrieden waren. Grund war, dass in Europa politischer Druck auf das Unternehmen ausgeuebt wurde, um die Regierung abzustrafen. Doch man kann in Myanmar immer noch - wie fast ueberall in Asien - im Textilsektor Geld verdienen. Die Deutsche Bank hat vor einigen Jahren ihre luxurioese Repraesentanz wieder geschlossen, da sie zwar funktionierte, aber sich angesichts der hohen Kosten nicht rechnete. Auch die Siemens AG hat ihren deutschen Vertreter in Yangon nach Hause geschickt, vor allem, da das bescheidene Geschaeftsvolumen die Kosten nicht deckte. Auf der anderen Seite ueberlegt ein deutscher Lifestyle-Konzern derzeit, seine Luxus-Marken langfristig auch hier bekannt zu machen. Asien Kurier: Wo geht es denn bereits aufwaerts? Oder sind das Wunschtraeume? Horst Rudolf: Neben dem Gas- und Oelgeschaeft, das natuerlich seit einigen Monaten angesichts der Weltmarktentwicklung etwas abgekuehlt hat, ist es der Energiesektor - allen voran der Staudammbau. Das Land hat ein riesiges Potential an Wasserkraft. Realistisch sind zwischen 20.000 und 40.000 Megawatt an installierbarer Leistung. Derzeit produziert das suedostasiatische Land weniger als 2.000 MW im Land, aber es besteht ja auch kein entsprechender Bedarf. Die meisten Vorhaben sollen Strom nach China oder Thailand liefern. Doch der thailaendische Nachbar hat sein Mega-Dammprojekt am Salween-Fluss aus politischen Gruenden erstmal auf Eis gelegt. Die Chinesen hingegen haben weiter im Norden bereits massive Bauvorhaben am Laufen, um das eigene "Hinterland", die Provinz Yunnan, zu versorgen. Asien Kurier: Gibt es auch deutsche Unternehmen, die bei den Staudaemmen beteiligt sind? Horst Rudolf: Durchaus, auch wenn die Regierung nicht viel darueber redet. Der groesste Damm in Landesinneren, nahe Mandalay, wird plangerecht hochgezogen. Zwei Drittel sind bereits fertiggestellt. Und ohne die Spezialkraene eines bekannten deutschen Anlagenproduzenten waere "Yeywe" mit 790 MW installierter Leistung vielleicht nicht das derzeit groesste derartige Projekt im Land. Studiert man die Planungen von Staudaemmen und Hochspannungsleitungen, Transformerstationen, Verteilern und alles, was noch daran haengt, muesste eigentlich auch fuer europaeische Firmen einiges abfallen - wenn diese am Ball bleiben. In der Praxis, wird man ueber einen Partner aus China oder der Region informiert, oder man muss tatsaechlich nach Myanmar reisen, und dort die Klinken zu putzen. Dazu gehoert Ausdauer, Verstaendnis und Anpassungsvermoegen - aber das ist in Indien oder im Inneren Chinas auch nicht viel anders. Asien Kurier: 790 Megawatt, nicht fuer den Export, sondern mitten im Land. Gibt es also doch Wachstum, oder wofuer wird der Strom gebraucht? Horst Rudolf: Wenn es irgendwo in Myanmar Wachstum gibt, dann in dieser Region. In Mandalay, dem Kreuzpunkt von Strassen und Eisenbahn im Zentrum des Landes, standen nicht nur Pagoden, sondern immer viel Geld im Mittelpunkt - eine Haendlerstadt, wo man mit US-Dollar ebenso vorankommt, wie mit Yuan bzw. Renminbis. Der neue Superflughafen suedlich der Stadt koennte auch in Deutschland konkurrieren - allerdings nicht bei den Passagierzahlen. Doch der Strom wird auch fuer ein neu geplantes "Wirtschaftswunder" benoetigt: der "Cyber-City" Yadanabon. Eine halbe Autostunde oestlich von Mandalay steht bereits das protzige "Teleport"-Gebaeude, Kernstueck eines gerade entstehenden Zentrums fuer IT-Hard- und Software, in das nicht nur myanmarische, sondern vor allem auslaendische Investoren einsteigen sollen. Indiens Praesident Abdul Kalam hatte angeblich bei einem offiziellen Besuch vor zwei Jahren die Idee - aehnlich wie das indische Bangalore - ein Zentrum fuer Informationstechnologie zu foerdern. Eigentlich seltsam, doch die Inder denken weiter, als nur in Konkurrenz-Kategorien. Denn ihrer Politik des ?go east?, dem intensiven Handelsverkehr mit China, steht ein unterentwickeltes Myanmar eher im Weg. Die bisherigen Versuche, Indien mit China zu verbinden, scheiterten im letzten Weltkrieg nicht nur an feindseligen Rebellen in der Grenzregion, sondern auch an ungezaehmten Fluessen oder im tiefen Dschungel. Die beruehmte ?Ledo-Road? des US-Generals Stillwell endete im Nichts. Doch nun, bevor Inder und Chinesen an einen hoch interessanten, aber extrem risikoreichen Strassen- oder gar Eisenbahnbau gehen, verlegen sie erst einmal probeweise eine preiswerte Glasfaser-Verbindung. Diese soll dann im ?Teleport?-Gebaeude von Yadanabon mit den bereits operativen Glasfasern aus China und Thailand zusammentreffen. Von den registrierten 35 in- und auslaendischen Investoren im ?Soft Base Factory Area? trifft man noch nicht alle an. Also kein Grund, sich uebereilt in eine Investition zu stuerzen, solange in den weitlaeufigen Gebieten des Gesamt-Vorhabens ?Yadanabon-Myotit? noch die Planierraupen kreisen - doch vergessen sollte man das Projekt auch nicht. Denn im Gegensatz zum uebereilten Bau der neuen Hauptstadt Naypyidaw ist die Lage und die Umgebung von Yadanabon mehr als ideal, ziemlich genau auf halbem Weg zwischen den beiden Wirtschaftsgiganten in der Nachbarschaft. Yadanabon liegt kurz vor der Kreisstadt Memyo oder ?Pyin Oo Lwin?. Hier lebte nicht nur der letzte Koenig der Burmesen auf einem wunderschoenen Hochland in etwa 1.000 Metern Hoehe. Das Klima ist so angenehm, dass auch die britischen Kolonisatoren, denen es in der damaligen Haupstadt Rangun (Yangon) ab Maerz unertraeglich heiss wurde, hier ihre Sommerresidenz errichteten. In Memyo konnten sie die kuehlen Naechte mit fast englischen Hochnebeln mitten in Asien geniessen. Kurz, warum sollten nicht auch deutsche Unternehmen in den naechsten Jahren einmal darueber nachdenken, ob das bisher in Myanmar seltene Zusammentreffen von jobsuchenden und lernwilligen Arbeitskraeften, neuem Staudamm, neuem Flughafen und Internet einen Blick wert ist. Asien Kurier: Ein anderes Thema: wie steht es um Rohstoffe und Bodenschaetze? Man hoert, Myanmar haette sagenhafte Reichtuemer. Horst Rudolf: Zumindest auf Rubine kann man das Wort anwenden. Und der Ort, Mogok, wo diese vorkommen, wird derart gut bewacht, dass es wie eine Sage klingt. Doch alle Juweliere weltweit kennen diese ?schoensten aller Steine? aus dem Inneren Myanmars, oder haben sie im Angebot. In der Tat verdient die myanmarische Regierung jedes Jahr erhebliche Devisen an diesen und anderen Edelsteinen. Waehrend in frueheren Zeiten so einiges unter dem Tisch verschoben wurde, reisen nun Haendler aus aller Welt zu den regelmaessigen Versteigerungen der Regierung an. Beeindruckend sind die die Jade-Bloecke, die - von aussen oft nicht erkennbar - im Anschnitt ihre innere Schoenheit und sehr oft Millionenwerte preisgeben. Wer es schafft, sich die alten britische-amerikanischen Generalstabskarten zu besorgen, findet bereits seit der Kolonialzeit ueber das ganze Land verstreut alle Arten von Bodenschaetzen verzeichnet. Und auch heute werden immer wieder neue Fundstellen, auch in abgelegenen Gegenden, entdeckt. Angesichts fehlender Transport-Infrastruktur und sehr zurueckhaltender Behoerden haben es auslaendische Firmen bisher nur vereinzelt geschafft, ein funktionierendes oder gar rentables Minen- oder Verhuettungs-Unternehmen aufzubauen. Die ueber viele Jahre engagierte ?Ivenhoe? aus Kanada hat erst vor kurzem wieder aufgegeben. Asien Kurier: Was heisst das, kann man in diesem Sektor investieren oder nicht? Horst Rudolf: Eher noch nicht, bis auf wenige Ausnahmen. Denn bisher hat die Regierung leider noch nicht genuegend Hausaufgaben gemacht, um sich mit kompliziert denkenden westlichen Unternehmen zu verstaendigen, beispielsweise wenn es um Umwelt- oder Arbeiterrechte geht. Aehnlich problematisch ist der Bereich Tropenhoelzer. Einerseits bemueht sich die Regierung durchaus, ihre natuerlichen und nachwachsenden Rohstoffe zu schonen, andererseits gibt es vor allem in den nur begrenzt kontrollierbaren Grenzregionen immer wieder Missbrauch an den Waeldern. Daher gibt es derzeit auch einen EU-Boykott gegen Teakholz-Importen aus Myanmar. Immerhin wurden die meisten Foerster und Forstwirtschaftler von Myanmar in Deutschland ausgebildet, sodass zumindest beim Aufforsten fachgerecht vorgegangen wird. Asien Kurier: Hat das Land nicht auch ein riesiges Areal fuer Landwirtschaft zu bieten? Horst Rudolf: Ja, und dieses Potential wird am staerksten unterschaetzt, bzw. vergessen. Gerade die Agrarwirtschaft ist ein komplexer Bereich, in denen sich ungeschickte staatliche Einmischung verheerend auswirkt, leider auch in Myanmar. Zur Kolonialzeit war das damalige Burma nicht nur die Kornkammer Asiens, sondern sogar der weltweit groesste Reisexporteur. Dieses Potential ist weiterhin vorhanden, wurde aber in den Wirren nach Ende der Kolonialzeit heruntergewirtschaftet. Vor der Nargis-Katastrophe im Fruehjahr 2008 war man soweit, wieder Reis exportieren zu koennen, nun muss erneut angepflanzt werden. Inzwischen ist ein neuer und lukrativer Typ von Landwirtschaft dabei, sich schnell zu verbreiten, der bisher fuer das Land wenig typisch war: die Plantagenwirtschaft. Nicht nur traditionelle Agrarprodukte fuer den Export, sondern vor allem nachwachsende Rohstoffe fuer die Produktion von Oel und Aethanol sind die Favoriten. Die waeren bereits ein Renner, wenn die Wirtschaftspolitik konsistent und die Infrastruktur des Land besser entwickelt waeren. Die Nachfrage - und damit Investitionen - kommt bisher vor allem aus der Region. Diesmal sind es die suedostasiatischen Staaten Thailand, Malaysia und Singapur, zusammen mit lokalen Partnern. Nun wird mit einer ganzen Reihe von ?Energiespendern? experimentiert: Oelpalmen, Oelsaaten, Reis und Mais als Basis fuer die Aethanolproduktion. Myanmar haette noch viele unerschlossene Flaechen im Land, um ein ?kleines Brasilien? zu werden. Doch ein bei uns wenig bekanntes ?Unkraut? hat die Chance, noch hoehere Ertraege relativ umweltfreundlich und wirtschaftlich zu produzieren: die Jathropa - auf Deutsch ?Brechnuss?, eine ziemlich ungeniessbare Schwester der Rizinuspflanze. Deren Oelfruechte sind ertragreich, die Straeucher koennen zusaetzlich als Melasse ?recycled? und zu leichten Treibstoffen raffiniert werden. Doch von den vielen Projekten sind erst wenige vorzeigbar, die meisten kranken noch an logistischen Schwaechen und fehlenden unternehmerischen Kenntnissen. Asien Kurier: Noch ein ?Geheimtip? fuer potentielle Investoren der naechsten Jahre? Horst Rudolf: Wenn Sie beim ersten und einzigen Winzer des Landes, Bert Morsbach, nicht weit vom wunderschoenen ?Inle-See?, den Sonnenuntergang bei einem Glas ?Aythaya? Muscat-Chiraz-Cuvee geniessen, kommen Ihnen sicher eine Menge Geschaeftsideen. Die schwierige Wirtschaftslage erscheint Ihnen nach dem zweiten Glas sowieso etwas rosiger - zumindest langfristig. Spass beiseite, ein ?Geheimtip? sind zum Beispiel ueber 1.000 Inseln, die sich von der suedlichen Landesgrenze - nordoestlich vom bekannten thailaendischen Phuket beginnend - wie eine Perlenkette nach Norden erstrecken. Ein Archipel, das bisher kaum erschlossen ist und von professionellen Seglern und Tauchern als eines der schoensten Gebiete der Erde bezeichnet wird. Asien Kurier: Abschliessend eine provozierende Frage: kann man Myanmar wirklich verstehen? Horst Rudolf: Fuer uns Deutsche ist dies gar nicht so schwierig, vor allem, was die Wirtschaft angeht. Preussen war fuer lange Zeit ein maechtiger und reicher Staat. Doch fuer fast 50 Jahre brachte die DDR dann - trotz fleissiger und gebildeter Menschen - gerade mal den ?Trabi? und den ?Trabant? zustande. Nun ist dort wieder eine neue Zeitrechnung angebrochen. Wer diesen Zusammenhang versteht, hat auch den Schluessel zum Verstaendnis von Myanmar. __________________________________________________________________ (c) 2007 bis 2013 Asien Kurier. All rights are reserved [11](Nutzungsrechte / Titelschutz) Unsere Webseiten sind fuer den Firefox-Browser und eine Aufloesung von 1280 x 1024 pixel optimiert. Opera und Safari-Browser sind gerne gesehen; auf Microsoft / IE koennen wir verzichten. R