Asien Kurier, Wirtschaft und Politik in Asien Maschinen- und Anlagenbau in Asien 2012 Neu ! - Maschinen- und Anlagenbau in Osteuropa 2012 [1]Startseite [2]Archiv [3]Buecher [4]Produkt-Piraterie [5]Anzeigen / Ads [6]Abo, Kontakt [7]Asiatische Webseiten [8]Industriereports [9]Ueber uns Asien Kurier 11/2008 vom 1. November 2008 [10]Zurueck zur Artikelliste Myanmar Heisses Pflaster fuer Investitionen Gespraech mit Horst Rudolf ueber die Wirtschaftsaussichten in Myanmar, Rohoel und Gas, sowie das Engagement von China und Indien. Von Ralph Rieth Asien Kurier: Herr Rudolf, Sie sind unseren Lesern bereits als Wirtschafts- und Politik-Analyst in Asien bekannt. Woher kommt Ihr ploetzliches Interesse an Myanmar oder Burma, wie es auch genannt wird? Horst Rudolf: Mein Interesse an Myanmar ist keineswegs neu, im Gegenteil. Ich war von 1998 bis 2001 als Staendiger Vertreter des Botschafters an der deutschen Botschaft in Yangon taetig und vor allem auch fuer Wirtschaftsfragen zustaendig. Nach meiner Entscheidung, das angenehme Leben eines Diplomaten gegen die Herausforderungen der freien Wirtschaft einzutauschen, wollte ich urspruenglich sogar eine Firma fuer IT-Software in Yangon gruenden, aber das erwies sich als aeusserst schwierig. Asien Kurier: Aufgrund der politischen Lage? Horst Rudolf: Nein, nur indirekt. Vor allem fehlten damals die technisch notwendige Grundlagen, ein stabiler Zugang zum Internet und eine verlaessliche Stromversorgung. Wenn Sie Kunden in Europa haben, wollen die nicht drei Tage auf eine Antwort-Email warten. Asien Kurier: Und das hat sich jetzt verbessert? Horst Rudolf: Teilweise, die Stromversorgung ist immer noch instabil, aber es gibt verschiedene Zugaenge zum Internet. Zwar gab es kurzfristige Unterbrechungen auch anlaesslich von Unruhen, doch scheint die Regierung sehr schnell verstanden zu haben, dass man sich und vor allem der eigenen Wirtschaft das Wasser abgraebt, wenn man das Netz nicht nur ueberwacht, sondern ganz abschaltet. Jetzt gelten aehnliche Spielregeln, wie in China - Business ja, Politik nein. Asien Kurier: Die Militaers in der neuen Hauptstadt Naypyidaw gelten doch weithin als undurchsichtig. Kann man tatsaechlich von einer gewissen Verlaesslichkeit sprechen? Horst Rudolf: Erstaunlicherweise sind die Generaele in ihren Handlungen durchaus transparent und konsistent - wenn auch nicht immer nach westlicher Logik oder unserem Geschmack. Doch haben Sie jemals gehoert, dass die Pipeline, deren Gas einen wichtigen Teil von Thailand, einschliesslich Bangkok, versorgt, auch nur eine Minute aus politischen Gruenden abgeschaltet wurde? - da herrschen in Europa viel schlimmere Zustaende. Asien Kurier: Trotzdem hat Myanmar einen sehr schlechten Ruf, insbesondere bei Menschenrechtlern, aber auch bei unseren Lesern, den Geschaeftsleuten und Investoren. Horst Rudolf: Leider zurecht; denn beispielsweise im Gegensatz zu Thailand gilt das Land als ethnisch zersplittert, neben den Burmesen gibt es viele andere Gruppeh, wie die Shan, Karen, Rohingyas, Chin, Mon und anderen. Daher auch der Versuch der Regierung, durch die Wahl eines neuen Namens wie "Myanmar" die Dominanz der burmesischen Volksgruppe fuer die anderen etwas leichter verdaulich zu machen. Dass im Sueden Thailands fast taeglich Bomben hochgehen, wird weithin ignoriert, denn in diesen Gebieten investieren nur wenige Auslaender. In Myanmar ist die Situation aehnlich; da gibt es einige Regionen, die man besser nicht bereist. Die schlechte Lage bei den Menschenrechten wird immer wieder mit der ethnischen Vielfalt erklaert - die Generaele fuehlen sich immer noch im Krieg und kaempfen gegen echte Aufstaendische ebenso ueberzeugt wie gegen vermeintliche innere Feinde. Was ihnen anscheinend nicht klar ist: vor dreihundert Jahren sah es in der Schweiz auch nicht anders. Doch mit dem wirtschaftlichen Wohlstand hoert bei den eidgenoessischen ?Staemmen? die Lust am Kampf sehr schnell auf und selbst die schlimmsten Feinde finden sich sehr schnell an den Futtertroegen zusammen, wenn nur etwas lukratives zu holen ist. Asien Kurier: Und diese Troege sollen sich in Myanmar ploetzlich fuellen? Horst Rudolf: Hoffentlich, wenn auch nicht kurzfristig! Denn noch nie gab es in diesem Land so viel zu holen, wie seit wenigen Jahren. Dass das alte Burma reich war, wussten auch die englischen Invasoren im vergangenen Jahrhundert. Vor 60 Jahren war das Land weltweit groesster Reisexporteur, und wer mit der Lufthansa nach Bangkok wollte, musste erstmal in Rangun (heute Yangon) zwischenlanden - heute ist es umgekehrt. Wer in Hongkong etwas auf sich hielt, schickte damals seine Soehne auf Universitaeten in Burma ? auch das laeuft derzeit in umgekehrter Richtung. Im Gegensatz zu Thailand verlief eben alles anders. Dort gab es keine Kolonisatoren, die den Opiumhandel als Mittel der politischen Manipulation foerderten, man hatte einen Koenig, der das Land eint und foerdert, die Oberschicht nimmt nur ihren Anteil, doch niemand kassiert gleich den Grossteil der Staatsfinanzen. Myanmar ging eher den Weg der DDR, man erfand Ideologien, ein Staatsmonopol-kapitalistisches Wirtschaftssystem und hatte dann auch noch einen Diktator, der eher seinem Astrologen als Fachleuten traute. Asien Kurier: Nochmals: was hat sich denn dann geaendert? Horst Rudolf: Vordergruendig wenig, denn das derzeitige System ist praktisch der Auslaeufer des alten. Doch dahinter hat sich viel gedreht, auch wenn die Auswirkungen bisher kaum sichtbar sind. Zum ersten gibt es keine Ideologie mehr, abgesehen von der staatlichen Prioritaet, das Land nicht auseinanderfallen zu lassen. Laengst wurde auf dem Papier die Marktwirtschaft deklariert, eine Menge wirtschaftsfreundlicher Gesetze erlassen und bereits seit den 90er Jahren massiv mit auslaendischen Investitionen gearbeitet. Asien Kurier: Und trotzdem funktioniert die Wirtschaft immer noch nicht, es geht doch weiter bergab! Asien Kurier: Ja, weil die Generaele - selbst wenn man alle Augen zudrueckt - meinen, dass man Wirtschaftswachstum befehlen kann, auslaendischen Beratern nicht ueber den Weg trauen und sich derart bedroht sehen, dass sie sich rundherum absichern - und natuerlich auch ungern irgendjemanden Geschaefte machen lassen, dem sie nicht hundertprozentig vertrauen - beispielsweise den eigenen Familienangehoerigen. Dies sind natuerlich erhebliche Hindernisse auf dem Weg zur Marktwirtschaft, denn bisher haben die Generaele vor allem den Mangel verwaltet und sich abgesichert, nun entdecken sie ploetzlich ganz andere Moeglichkeiten, alle Interessen vielleicht doch noch unter einen Hut zu bringen. Asien Kurier: Wunschdenken der Generaele oder Realitaet? Diesmal Realitaet, zumindest, was die Chancen angeht. Es begann mit der Entdeckung maechtiger Gasfelder suedlich von Yangon im Meer. Nun fliessen die Devisen aus Thailand rund um die Uhr. Doch das war nur der Anfang. Man fand nicht nur neue Felder, die nun mit Milliarden-Investitionen, unter anderem von der thailaendischen PTT, erschlossen werden, auch im Norden, an der Grenze zu Bangladesch, ist das Meer voller Gas-Blasen, von denen bereits 170 Milliarden m3 (6.000 Mrd. Kubikfuss) nachgewiesen sind. Auch im Inland gibt es mehr ? bisher kleinere ? Oel- und Gasfelder, als allgemein bekannt ist. Kein Wunder, dass bereits die Chinesen auf dem Festland, dann aber auch die Inder bei den neuentdeckten Offshore-Gasfeldern einstiegen, um diese fuer ihr energiearmes Umland von Kalkutta zu erschliessen. Doch wieder einmal zeigte sich, dass Wirtschaftsdiktaturen effizienter sind als gestandene Demokratien: kaum war klar, dass hier ein enormes Potential vergraben lag, stritten sich das demokratische Indien und Bangladesch um die Transitrechte - bis die Chinesen zwischenzeitlich errechnet hatten, dass sich auch eine Pipeline aus diesen Feldern quer durch Myanmar ins chinesische Yunnan-Hinterland rechnen koennte. Und kaum waren die ersten "Memoranda of Understanding" zum unglaeubigen Staunen der Inder und ihrer Nachbarn unterschrieben, sprang der kapitalische Phantasiefunke voll ueber: man koennte einen Tiefseehafen an Myanmars Kueste am Indischen Ozean ausbauen, laesst dort die Hundertschaften an Oeltankern aus dem Nahen Osten andocken und pumpt das Ganze parallel zur Gas-Pipeline nach China - durch vergleichsweise sicheres Gelaende, und "hinter" Mandalay wird sowieso bereits der chinesische Renminbi als Handelswaehrung benutzt. Doch es kommt noch viel besser: wenn schon fuer die Pipelines trassiert wird, koennen auch die alten Traeume einer Landverbindung vom Osten Indiens ins aufstrebende chinesische Hinterland wieder aufleben - ?India goes east? - einschliesslich der beruehmten "Ledo-Road" der Kolonialzeit. Bisher waren diese Plaene politisch und vor allem oekonomisch irrealistisch. Nun geht es mit Asien bergauf, ebenso wie mit den Energiepreisen. Ploetzlich wird aus risikoreichen Traeumen - sehr wahrscheinlich - Realitaet. Denn entlang der neuen Trasse wird man natuerlich Raffinerien bauen, Chemiekombinate, Duengemittel-Fabriken etc. Und sollten sich die Planspiele weiter rechnen, kann China auch sein Stueckgut in wenigen Jahren auf die Schiene/Strasse verfrachten - das rechnet sich, angesichts einer Einsparung von fast 3000 km Transportstrecken. Denn die begehrten Gueter muessen ja derzeit nicht nur im Sueden durch die piraten-verseuchte Meerenge von Malakka und dann wieder nach Norden geschifft werden, von dort geht es ja wieder auf dem Landweg ?zurueck? ins chinesische Hinterland, ein riesiger Umweg. Asien Kurier: Gibt es da nicht inzwischen Konkurrenz-Projekte, die die perfekte Kalkulation stoeren? Horst Rudolf: Das geniale an diesem Vorhaben ist, dass es kaum mit den gleichzeitig laufenden beziehungsweise angedachten Projekten im Sueden kollidiert, denn sowohl ein - voellig spekulativer - thailaendischer ?Isthmus-Kanal? wie auch das mehr oder weniger angelaufene Vorhaben einer ?Trans-Malaysia-Pipeline? sind dazu gedacht, einen anderen Wirtschaftsraum zu beliefern, als das Myanmar-Projekt. Diese sogenannte ?Suedschiene? kaeme vor allem Lieferungen im Pazifischen Ozean, bis hinauf nach Japan zugute. Zudem steht das Malaysia-Projekt auf eher schwachen wirtschaftlichen Fuessen. Die Thailaender wiederum sind erneut mit ihrer Innenpolitik blockiert und schieben alle ?Mega-Projekte? auf die lange Bank. Auch kritische Finanziers, die sich bisher an den zuletzt genannten Vorhaben gerieben haben, koennten die Infrastruktur-Investitionen der Regierung von Myanmar ploetzlich als relativ sichere Bank einstufen. Dass auch dies kein Zweckoptimismus ist, zeigen die hektische Besuchsaktivitaeten der vergangenen Wochen. Kaum waren die Schaeden des Wirbelsturms ?Nargis? auch nur teilweise bereinigt, gaben sich Besucher von Suedkorea ueber China, Vietnam und Thailand, aber vor allem der Premierminister von Kuweit, Scheich Nasser Al-Mohammed Al-Ahmed Al-Jaber Al-Sabah, die Klinken in die Hand. Die Herren im weissen Talar verschwenden in der Regel ihre Zeit nicht mit Laendern, mit denen keine Geschaefte zu machen sind. Folgerichtig bereiste der myanmarische Aussenminister nicht nur ? und erstaunlich lange ? die Golfregion, sondern wurde erst im September auch im Oel-Koenigreich Brunei Darussalam sogar vom Koenig, Sultan Haji Hassanal Bolkiah Mu'izzaddin Waddaula empfangen. Warum diese Aufzaehlung? Weil sie zeigt, dass der politische Beliebtheitsgrad eines Landes nicht mit seiner wirtschaftlichen Potenz gleichzusetzen ist. Asien Kurier: Heisst das, Sie nennen Myanmar in einem Atemzug mit den Oelstaaten dieser Welt? Horst Rudolf: Ja, und zwar in wenigen Jahren. Die einzige Bedingung ist, das die Weltwirtschaft nicht zusammenbricht ? was aber alle Laender betrifft ? und die Nachfrage nach Primaerenergie anhaelt. Vor allem hat Myanmar nicht nur viel Gas, Oel und andere Bodenschaetze, sondern sie sitzen auch auf den groessten Wasserreserven, den bedeutensten Staudammprojekten Suedostasiens ? doch dazu ein anderes Mal. Sprichwoertlich bleibt auch den Indern jetzt nichts uebrig, als auf diesen "Zug" aufzuspringen und mit einer nordoestlichen Zubringerverbindung die neue West-Ost-Achse zu bereichern. Dass auch dies keine hohlen Ideen mehr sind, zeigen die fortgeschrittenen indischen Plaene zum Ausbau des Hafens von Sittwe an der Westkueste Myanmars fuer satte 100 Millionen US-Dollar - quasi in Sichtweite der Pipelines. An diesen wiederum wird - guten Quellen zufolge - bereits von ersten chinesisch-burmesischen Bautrupps gebaggert. Asien Kurier: Bleibt da nicht doch ein politisches Risiko, sogenannte ?demokratische" Wahlen 2010? Horst Rudolf: Auch dieses Risiko ist beschraenkt ? doch erstaunlicherweise nicht, weil irgend jemand den Machthabern vertraut, sondern weil man davon ausgehen kann, dass China angesichts massiver Interessen in Myanmar und taeglich steigender Investitionen in Milliardenhoehe gar keinen Zusammenbruch des Landes riskieren kann. Nebenbei: auch Indien hat daran keinerlei Interesse. Asien Kurier: Was empfehlen Sie dann deutschen Geschaeftsleuten und vor allem Investoren? Horst Rudolf: Da gibt es einiges ? gerade haben wir auf die vierte erfolgreiche Ernte eines deutschen Weinproduzenten im Hochland Myanmars angestossen. Doch angesichts der komplexen Situation im Land passt dies nicht mehr in den Rahmen dieses Gespraechs ? doch die Fortsetzung folgt. Zum Trost, auch in China waren deutsche Investoren nicht die schnellsten. Nun sind sie umso erfolgreicher dabei, und Myanmar ist heute gerade erst am Aufwachen. Horst Rudolf, Jahrgang 1948, Diplom-Volkswirt (Frankfurt/Genf), sammelte einige Jahre Erfahrungen im Industrie- und Bankensektor in Deutschland und Frankreich, bevor er seine erste Position als Entwicklungsberater in Westafrika uebernahm. Zu den damaligen Herausforderungen gehoerte unter anderem der Aufbau der "West African Development Bank". 1979 trat er in den diplomatischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unterschiedliche Funktionen in der Bonner Zentrale und bei Auslandseinsaetzen in Suedamerika, Afrika und Suedosteuropa wahrnahm. So war er in Bonn Pressesprecher, politischer Referent und in der Leitung des Bereiches Kommunikation und Informationstechnologie taetig, in Afrika arbeitete er als Geschaeftstraeger und zuletzt als Botschafter in Gabun - einem Erdoel-Foerderland am Aequator. Von 1998 bis 2001 war Herr Rudolf als Staendiger Vertreter des Botschafters an der diplomatischen Vertretung in Yangon, Myanmar, auf Posten, wo er sich vor allem mit der schwierigen Wirtschaftslage und der Unterstuetzung deutscher Geschaeftsinteressen beschaeftigte. Statt als Diplomat nach Berlin zurueckzukehren, zog er es vor, die Chancen der aufstrebenden asiatischen Region zu nutzen und arbeitet seither als regionaler Analyst und Wirtschaftsberater, ueberwiegend von Bangkok aus. __________________________________________________________________ (c) 2007 bis 2013 Asien Kurier. All rights are reserved [11](Nutzungsrechte / Titelschutz) Unsere Webseiten sind fuer den Firefox-Browser und eine Aufloesung von 1280 x 1024 pixel optimiert. Opera und Safari-Browser sind gerne gesehen; auf Microsoft / IE koennen wir verzichten. R