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Asien Kurier 1/2009 vom 1. Januar 2009
Myanmar

Ungenutzte Geschäftschancen

Von Ralph Rieth

Asien Kurier: Nachdem sie unseren Lesern den großen Traum vom Öl- und Gasgeschäft erläutert und etwas tiefere Einsichten in das komplizierte Geflecht der Geschichte ?Burmas? vermittelt haben, bleibt die Frage: was hat Myanmar denn sonst zu bieten, falls sich unsere Leser intensiver mit diesem exotischen Land beschäftigen wollen?

Horst Rudolf: Myanmar und seine Wirtschaft haben der Wall Street eines voraus: die Risiken sind weitgehend bekannt und kein Investor träumt vom Staat, der ihn rettet. Immerhin hat Myanmar in den letzten Jahren wieder an Attraktivität gewonnen - vor allem aufgrund seiner natürlichen Reichtümer.

Doch angesichts eines schwierigen Umfelds haben seit der Liberalisierung des Wirtschaftslebens vor über 15 Jahren viele Investoren wieder aufgegeben. Trotzdem versuchen selbst große Konzerne, die bisher keine Nettogewinne gemacht haben, einen Fuß in der Tür zu behalten.

Asien Kurier: Dürfen Sie Namen oder Beispiele nennen?

Horst Rudolf: Die sind durchaus bekannt: der Textilkonzern Triumph hat sein Werk geschlossen, obwohl der Betrieb gut lief und die Mitarbeiter nachweislich zufrieden waren. Grund war, dass in Europa politischer Druck auf das Unternehmen ausgeübt wurde, um die Regierung abzustrafen. Doch man kann in Myanmar immer noch - wie fast überall in Asien - im Textilsektor Geld verdienen.

Die Deutsche Bank hat vor einigen Jahren ihre luxuriöse Repräsentanz wieder geschlossen, da sie zwar funktionierte, aber sich angesichts der hohen Kosten nicht rechnete. Auch die Siemens AG hat ihren deutschen Vertreter in Yangon nach Hause geschickt, vor allem, da das bescheidene Geschäftsvolumen die Kosten nicht deckte. Auf der anderen Seite überlegt ein deutscher Lifestyle-Konzern derzeit, seine Luxus-Marken langfristig auch hier bekannt zu machen.

Asien Kurier: Wo geht es denn bereits aufwärts? Oder sind das Wunschträume?

Horst Rudolf: Neben dem Gas- und Ölgeschäft, das natürlich seit einigen Monaten angesichts der Weltmarktentwicklung etwas abgekühlt hat, ist es der Energiesektor - allen voran der Staudammbau. Das Land hat ein riesiges Potential an Wasserkraft. Realistisch sind zwischen 20.000 und 40.000 Megawatt an installierbarer Leistung. Derzeit produziert das südostasiatische Land weniger als 2.000 MW im Land, aber es besteht ja auch kein entsprechender Bedarf. Die meisten Vorhaben sollen Strom nach China oder Thailand liefern. Doch der thailändische Nachbar hat sein Mega-Dammprojekt am Salween-Fluss aus politischen Gründen erstmal auf Eis gelegt. Die Chinesen hingegen haben weiter im Norden bereits massive Bauvorhaben am Laufen, um das eigene "Hinterland", die Provinz Yunnan, zu versorgen.

Asien Kurier: Gibt es auch deutsche Unternehmen, die bei den Staudämmen beteiligt sind?

Horst Rudolf: Durchaus, auch wenn die Regierung nicht viel darüber redet. Der größte Damm in Landesinneren, nahe Mandalay, wird plangerecht hochgezogen. Zwei Drittel sind bereits fertiggestellt. Und ohne die Spezialkräne eines bekannten deutschen Anlagenproduzenten wäre "Yeywe" mit 790 MW installierter Leistung vielleicht nicht das derzeit größte derartige Projekt im Land.

Studiert man die Planungen von Staudämmen und Hochspannungsleitungen, Transformerstationen, Verteilern und alles, was noch daran hängt, müsste eigentlich auch für europäische Firmen einiges abfallen - wenn diese am Ball bleiben. In der Praxis, wird man über einen Partner aus China oder der Region informiert, oder man muss tatsächlich nach Myanmar reisen, und dort die Klinken zu putzen. Dazu gehört Ausdauer, Verständnis und Anpassungsvermögen - aber das ist in Indien oder im Inneren Chinas auch nicht viel anders.

Asien Kurier: 790 Megawatt, nicht für den Export, sondern mitten im Land. Gibt es also doch Wachstum, oder wofür wird der Strom gebraucht?

Horst Rudolf: Wenn es irgendwo in Myanmar Wachstum gibt, dann in dieser Region. In Mandalay, dem Kreuzpunkt von Straßen und Eisenbahn im Zentrum des Landes, standen nicht nur Pagoden, sondern immer viel Geld im Mittelpunkt - eine Händlerstadt, wo man mit US-Dollar ebenso vorankommt, wie mit Yuan bzw. Renminbis. Der neue Superflughafen südlich der Stadt könnte auch in Deutschland konkurrieren - allerdings nicht bei den Passagierzahlen.

Doch der Strom wird auch für ein neu geplantes "Wirtschaftswunder" benötigt: der "Cyber-City" Yadanabon. Eine halbe Autostunde östlich von Mandalay steht bereits das protzige "Teleport"-Gebäude, Kernstück eines gerade entstehenden Zentrums für IT-Hard- und Software, in das nicht nur myanmarische, sondern vor allem ausländische Investoren einsteigen sollen.

Indiens Präsident Abdul Kalam hatte angeblich bei einem offiziellen Besuch vor zwei Jahren die Idee - ähnlich wie das indische Bangalore - ein Zentrum für Informationstechnologie zu fördern. Eigentlich seltsam, doch die Inder denken weiter, als nur in Konkurrenz-Kategorien. Denn ihrer Politik des ?go east?, dem intensiven Handelsverkehr mit China, steht ein unterentwickeltes Myanmar eher im Weg. Die bisherigen Versuche, Indien mit China zu verbinden, scheiterten im letzten Weltkrieg nicht nur an feindseligen Rebellen in der Grenzregion, sondern auch an ungezähmten Flüssen oder im tiefen Dschungel. Die berühmte ?Ledo-Road? des US-Generals Stillwell endete im Nichts.

Doch nun, bevor Inder und Chinesen an einen hoch interessanten, aber extrem risikoreichen Straßen- oder gar Eisenbahnbau gehen, verlegen sie erst einmal probeweise eine preiswerte Glasfaser-Verbindung. Diese soll dann im ?Teleport?-Gebäude von Yadanabon mit den bereits operativen Glasfasern aus China und Thailand zusammentreffen. Von den registrierten 35 in- und ausländischen Investoren im ?Soft Base Factory Area? trifft man noch nicht alle an. Also kein Grund, sich übereilt in eine Investition zu stürzen, solange in den weitläufigen Gebieten des Gesamt-Vorhabens ?Yadanabon-Myotit? noch die Planierraupen kreisen - doch vergessen sollte man das Projekt auch nicht. Denn im Gegensatz zum übereilten Bau der neuen Hauptstadt Naypyidaw ist die Lage und die Umgebung von Yadanabon mehr als ideal, ziemlich genau auf halbem Weg zwischen den beiden Wirtschaftsgiganten in der Nachbarschaft.

Yadanabon liegt kurz vor der Kreisstadt Memyo oder ?Pyin Oo Lwin?. Hier lebte nicht nur der letzte König der Burmesen auf einem wunderschönen Hochland in etwa 1.000 Metern Höhe. Das Klima ist so angenehm, dass auch die britischen Kolonisatoren, denen es in der damaligen Haupstadt Rangun (Yangon) ab März unerträglich heiß wurde, hier ihre Sommerresidenz errichteten. In Memyo konnten sie die kühlen Nächte mit fast englischen Hochnebeln mitten in Asien geniessen. Kurz, warum sollten nicht auch deutsche Unternehmen in den nächsten Jahren einmal darüber nachdenken, ob das bisher in Myanmar seltene Zusammentreffen von jobsuchenden und lernwilligen Arbeitskräften, neuem Staudamm, neuem Flughafen und Internet einen Blick wert ist.

Asien Kurier: Ein anderes Thema: wie steht es um Rohstoffe und Bodenschätze? Man hört, Myanmar hätte sagenhafte Reichtümer.

Horst Rudolf: Zumindest auf Rubine kann man das Wort anwenden. Und der Ort, Mogok, wo diese vorkommen, wird derart gut bewacht, dass es wie eine Sage klingt. Doch alle Juweliere weltweit kennen diese ?schönsten aller Steine? aus dem Inneren Myanmars, oder haben sie im Angebot. In der Tat verdient die myanmarische Regierung jedes Jahr erhebliche Devisen an diesen und anderen Edelsteinen. Während in früheren Zeiten so einiges unter dem Tisch verschoben wurde, reisen nun Händler aus aller Welt zu den regelmäßigen Versteigerungen der Regierung an. Beeindruckend sind die die Jade-Blöcke, die - von außen oft nicht erkennbar - im Anschnitt ihre innere Schönheit und sehr oft Millionenwerte preisgeben.

Wer es schafft, sich die alten britische-amerikanischen Generalstabskarten zu besorgen, findet bereits seit der Kolonialzeit über das ganze Land verstreut alle Arten von Bodenschätzen verzeichnet. Und auch heute werden immer wieder neue Fundstellen, auch in abgelegenen Gegenden, entdeckt. Angesichts fehlender Transport-Infrastruktur und sehr zurückhaltender Behörden haben es ausländische Firmen bisher nur vereinzelt geschafft, ein funktionierendes oder gar rentables Minen- oder Verhüttungs-Unternehmen aufzubauen. Die über viele Jahre engagierte ?Ivenhoe? aus Kanada hat erst vor kurzem wieder aufgegeben.

Asien Kurier: Was heißt das, kann man in diesem Sektor investieren oder nicht?

Horst Rudolf: Eher noch nicht, bis auf wenige Ausnahmen. Denn bisher hat die Regierung leider noch nicht genügend Hausaufgaben gemacht, um sich mit kompliziert denkenden westlichen Unternehmen zu verständigen, beispielsweise wenn es um Umwelt- oder Arbeiterrechte geht.

Ähnlich problematisch ist der Bereich Tropenhölzer. Einerseits bemüht sich die Regierung durchaus, ihre natürlichen und nachwachsenden Rohstoffe zu schonen, andererseits gibt es vor allem in den nur begrenzt kontrollierbaren Grenzregionen immer wieder Missbrauch an den Wäldern. Daher gibt es derzeit auch einen EU-Boykott gegen Teakholz-Importen aus Myanmar. Immerhin wurden die meisten Förster und Forstwirtschaftler von Myanmar in Deutschland ausgebildet, sodass zumindest beim Aufforsten fachgerecht vorgegangen wird.

Asien Kurier: Hat das Land nicht auch ein riesiges Areal für Landwirtschaft zu bieten?

Horst Rudolf: Ja, und dieses Potential wird am stärksten unterschätzt, bzw. vergessen. Gerade die Agrarwirtschaft ist ein komplexer Bereich, in denen sich ungeschickte staatliche Einmischung verheerend auswirkt, leider auch in Myanmar. Zur Kolonialzeit war das damalige Burma nicht nur die Kornkammer Asiens, sondern sogar der weltweit größte Reisexporteur. Dieses Potential ist weiterhin vorhanden, wurde aber in den Wirren nach Ende der Kolonialzeit heruntergewirtschaftet. Vor der Nargis-Katastrophe im Frühjahr 2008 war man soweit, wieder Reis exportieren zu können, nun muss erneut angepflanzt werden.

Inzwischen ist ein neuer und lukrativer Typ von Landwirtschaft dabei, sich schnell zu verbreiten, der bisher für das Land wenig typisch war: die Plantagenwirtschaft. Nicht nur traditionelle Agrarprodukte für den Export, sondern vor allem nachwachsende Rohstoffe für die Produktion von Öl und Äthanol sind die Favoriten. Die wären bereits ein Renner, wenn die Wirtschaftspolitik konsistent und die Infrastruktur des Land besser entwickelt wären. Die Nachfrage - und damit Investitionen - kommt bisher vor allem aus der Region. Diesmal sind es die südostasiatischen Staaten Thailand, Malaysia und Singapur, zusammen mit lokalen Partnern.

Nun wird mit einer ganzen Reihe von ?Energiespendern? experimentiert: Ölpalmen, Ölsaaten, Reis und Mais als Basis für die Äthanolproduktion. Myanmar hätte noch viele unerschlossene Flächen im Land, um ein ?kleines Brasilien? zu werden. Doch ein bei uns wenig bekanntes ?Unkraut? hat die Chance, noch höhere Erträge relativ umweltfreundlich und wirtschaftlich zu produzieren: die Jathropa - auf Deutsch ?Brechnuss?, eine ziemlich ungenießbare Schwester der Rizinuspflanze. Deren Ölfrüchte sind ertragreich, die Sträucher können zusätzlich als Melasse ?recycled? und zu leichten Treibstoffen raffiniert werden. Doch von den vielen Projekten sind erst wenige vorzeigbar, die meisten kranken noch an logistischen Schwächen und fehlenden unternehmerischen Kenntnissen.

Asien Kurier: Noch ein ?Geheimtip? für potentielle Investoren der nächsten Jahre?

Horst Rudolf: Wenn Sie beim ersten und einzigen Winzer des Landes, Bert Morsbach, nicht weit vom wunderschönen ?Inle-See?, den Sonnenuntergang bei einem Glas ?Aythaya? Muscat-Chiraz-Cuvée genießen, kommen Ihnen sicher eine Menge Geschäftsideen. Die schwierige Wirtschaftslage erscheint Ihnen nach dem zweiten Glas sowieso etwas rosiger - zumindest langfristig.

Spaß beiseite, ein ?Geheimtip? sind zum Beispiel über 1.000 Inseln, die sich von der südlichen Landesgrenze - nordöstlich vom bekannten thailändischen Phuket beginnend - wie eine Perlenkette nach Norden erstrecken. Ein Archipel, das bisher kaum erschlossen ist und von professionellen Seglern und Tauchern als eines der schönsten Gebiete der Erde bezeichnet wird.

Asien Kurier: Abschließend eine provozierende Frage: kann man Myanmar wirklich verstehen?

Horst Rudolf: Für uns Deutsche ist dies gar nicht so schwierig, vor allem, was die Wirtschaft angeht. Preußen war für lange Zeit ein mächtiger und reicher Staat. Doch für fast 50 Jahre brachte die DDR dann - trotz fleißiger und gebildeter Menschen - gerade mal den ?Trabi? und den ?Trabant? zustande. Nun ist dort wieder eine neue Zeitrechnung angebrochen. Wer diesen Zusammenhang versteht, hat auch den Schlüssel zum Verständnis von Myanmar.





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