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18. Juli 2012
Aufbruch
Birma: "Der neue Stern an Asiens Himmel"
Birma öffnet sich nicht nur der Demokratie, sondern will nun auch den dringend notwendigen wirtschaftlichen Aufbruch wagen / Großer Verlierer ist China.
Prajuab Supinee ist kaum zu halten. Der Direktor des "Thai Trade Centre" in Rangun strahlt über das ganze Gesicht, als er schwärmt: "Birma ist der neue Stern an Asiens Himmel." Einer Delegation von thailändischen Unternehmern rät er, nicht lange zu fackeln, sondern jetzt zu investieren. "Die ausländischen Investoren strömen hierher." Nach langer Isolation hat sich Birma nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich geöffnet.
Staatspräsident Thein Sein verkündete jüngst in einer Fernsehansprache an die Nation, dass nach dem politischen Wandel nun die zweite Stufe des Reformprozesses beginnen solle, "um das Land und seine Menschen auch wirtschaftlich voranzubringen". Die Wirtschaft soll nach seinen Planungen in den kommenden fünf Jahren um 7,7 Prozent im Jahr wachsen. Für ausländische Investoren soll schon in den kommenden Wochen vom Parlament Rechtssicherheit geschaffen werden. Sonderkonditionen sollen das Land noch attraktiver machen.
Staatsunternehmen, meist noch fest in der Hand von Günstlingen der ehemaligen Militärjunta, will der Staatspräsident privatisieren, um ausländisches Kapital anzulocken. Vor allem im Telekommunikationsbereich, in der Forstwirtschaft, im Energiesektor sowie im Bildungs- und Gesundheitssystem sollen die Staatsbetriebe für ausländische Investoren geöffnet werden. "Das wirtschaftliche Reformpaket wird Birma zum neuen Mekka für die Investoren dieser Erde machen," prophezeit Sutapa Amornvivat, Chefvolkswirtin der Siam Commercial Bank.
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Der wirtschaftliche Aufbruch ist dringend notwendig. Die Militärjunta, die 2010 nach fast 50-jähriger Herrschaft durch eine Zivilregierung unter Führung des Ex-Generals Thein Sein abgelöst wurde, hat das Land trotz seiner riesigen Gas- und Ölvorkommen ruiniert. Gut 30 Prozent des 60-Millionen-Volkes leben heute unterhalb der Armutsgrenze. "Wir hinken weit hinter den anderen Volkswirtschaften dieser Region hinterher," gibt Industrieminister Soe Thane offen zu. "Um Jobs zu schaffen, brauchen wir dringend arbeitsintensive Industrien vom Textil- und Bekleidungsbereich über Schuhe bis zu Spielzeug," sagt der Minister.
noch unter der Armutsgrenze
Durch den Bauboom haben sich die Immobilienpreise in der Wirtschaftsmetropole im vergangenen halben Jahr verdoppelt. Thailand, Singapur, Vietnam, Südkorea und Japan drängen am stärksten auf den birmanischen Markt.
Japanische Investoren planen in der Gegend von Thilawa eine gigantische neue Sonderwirtschaftszone. Selbst Bierbrauer wie die Singha Corporation sehen Birma als Markt der Zukunft: Laut Marketingdirektor Piti Bhirombhakdi plant das Unternehmen den Bau einer Brauerei in NordBirma, um von dort aus auch den gesamten Markt in Südchina abzudecken. "Für uns ist der Standort Birma erste Wahl in Südostasien," sagt Piti. Aber auch das energiehungrige Indien blickt interessiert über die Grenze nach Birma, nicht nur aus wirtschaftlichem Interesse, sondern vor allem, um der bisher in Birma dominanten Regionalmacht China Konkurrenz zu machen.
Schnelles Geld soll allerdings vor allem der Tourismus bringen: Die Zahl der ausländischen Touristen hat sich seit 2010 auf rund 1,7 Millionen mehr als verdoppelt. Internationale Hotelketten planen neue Herbergen im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Einige europäische Fluggesellschaften – darunter auch die Lufthansa – überlegen, Direktflüge nach Rangun in ihre Flugpläne aufzunehmen. Europa hinkt beim Wettlauf nach Birma allerdings noch hinterher.
Doch seit die EU im April die Wirtschaftssanktionen ausgesetzt hat, strecken immer häufiger europäische, auch deutsche Unternehmen ihre Fühler aus. Der große Verlierer ist China, das Birma zu Zeiten der Militärherrscher fast als eine Art Kolonie betrachtet hat. Aus dieser Umklammerung will Präsident Thein Sein sein Land nun endgültig lösen.
Autor: Karl-Ludwig Günsche