ICE und TGV : Europa aufs Gleis gesetzt
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Bienvenue à Paris im Juni 2017: Zwei ICE3 der Baureihe 407 treffen im Gare de l’Est zwei TGV 2N2 Euroduplex. Bild: Peter Thomas
Vor zehn Jahren startete der Hochgeschwindigkeitsverkehr zwischen Deutschland und Frankreich. Die Verbindung ist ein Erfolgsprojekt. Den ersten Schub bekam die Idee aber schon 50 Jahre zuvor.
Im Sommer vor zehn Jahren schrumpft auf einen Schlag die Reisezeit mit der Eisenbahn vom Main an die Seine auf fast die Hälfte zusammen: Der Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) zwischen Frankreich und Deutschland beginnt im Juni 2007. Den Anfang machen Fahrten des deutschen ICE (Intercity-Express) und des französischen TGV (Train à grande vitesse) zwischen Paris und Frankfurt am Main sowie Paris und Stuttgart.
Seither hat sich dieses Angebot als Volltreffer erwiesen: Mehr als 16 Millionen Menschen sind bislang in den Hochgeschwindigkeitszügen über die deutsch-französische Grenze gereist. Mittlerweile gibt es täglich bis zu elf Verbindungen in beide Richtungen (also elf sogenannte Zugpaare). Neben Paris, Frankfurt und Stuttgart sind München (Dezember 2007) und Marseille (März 2012) als Zielbahnhöfe dazugekommen.
Alleo, eine gemeinsame Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn (DB) und der Société Nationale des Chemins de fer Français (SNCF) zieht die Fäden im Hochgeschwindigkeitsverkehr der Nachbarländer. Dabei macht Alleo gewaltig Tempo: Auch der ICE, dessen Höchstgeschwindigkeit in Deutschland ja selbst auf Schnellfahrstrecken bei 300 km/h gedeckelt ist, darf im Nachbarland mit bis zu 320 km/h dahinbrausen. Davon hätte wohl selbst Jacques Tati in seiner Paraderolle als geschwindigkeitsberauschter Postbriefträger François aus „Jour de Fête“ nicht zu träumen gewagt!
Noch zu Anfang unseres Jahrtausends brauchten lokbespannte Reisezüge fast doppelt so lange wie heute TGV und ICE. Für das Beispiel Frankfurt – Paris heißt das: 3:40 Stunden im Sprinter über Straßburg statt einst 6:30 Stunden. Noch deutlicher ist die Fahrzeitverkürzung von Stuttgart nach Paris mit mittlerweile nur noch 3:10 Stunden – also der halben Reisezeit gegenüber 2006. Bei Reisen zwischen der schwäbischen Metropole und Frankreichs Hauptstadt erreicht der Marktanteil der Bahn mittlerweile 65 Prozent, das Flugzeug wurde deutlich abgehängt.
Energieversorgung auf der Strecke ist ein Problem
Aber warum haben ICE und TGV die europäische Idee nicht schon vor 2007 so komfortabel aufs Gleis gesetzt? Der Grund liegt in einer Reihe technischer und regulatorischer Hürden, die es zu überwinden galt. Denn eine normalspurige Schienenverbindung mit 1435 Millimetern Spurweite ist längst nicht die einzige Voraussetzung dafür, dass die Hochgeschwindigkeitstriebzüge problemfrei zwischen zwei Ländern verkehren können.
Eine Voraussetzung war der Bau einer neuen Schnellfahrstrecke von Paris in Richtung Osten. Denn auf einer Altstrecke können moderne Triebzüge ihre Höchstgeschwindigkeit nicht ausfahren. Erste Überlegungen für diese Ligne à grande vitesse est européenne stammen aus den frühen neunziger Jahren. Mit dem Bau der insgesamt gut 400 Kilometer langen Strecke wurde 2002 begonnen, die Einweihung des ersten Abschnitts fand im März 2007 statt. Im vergangenen Jahr ist nun auch der zweite, 106 Kilometer lange Bauabschnitt zwischen Baudrecourt in Lothringen und Vendenheim bei Straßburg fertiggestellt worden. Auf deutscher Seite sind bisher entsprechende Abschnitte der transeuropäischen Schienenschnellverbindung Paris – Ostfrankreich – Südwestdeutschland (POS) für den Verkehr mit bis zu 200km/h ertüchtigt worden.
Die Energieversorgung auf der Strecke ist ein weiteres Problem. Denn die Oberleitung stellt in Deutschland Wechselstrom mit 15 Kilovolt Spannung bei 16,7 Hertz zur Verfügung, in Frankreich dagegen 25 Kilovolt bei 50 Hertz. Deshalb kommen im Deutschland-Frankreich-Verkehr Mehrsystemfahrzeuge zum Einsatz. Die SNCF nahm die Verbindung zunächst mit dem Dreisystemzug TGV POS auf. Er kann auch unter 1,5 Kilovolt Gleichstrom fahren. 2011 hatten die Doppelstockzüge TGV 2N2 (Euroduplex) Premiere.