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DiCaprios Doku „Ice on Fire“ : An den Frontlinien des Klimawandels

Das ewige Eis ist nicht mehr ewig: ein Forscher in Grönland Bild: Die Verwendung ist nur bei redak

Leonardo DiCaprios Dokumentation über die Erderwärmung bemüht sich um einen kühlen Blick auf die Debatte. Wissenschaftler sollen aufräumen mit Trumps Versprechen der „sauberen Kohle“.

          3 Min.

          Es brennt über dem tauenden Permafrost in Alaska. Die Forscherin Katey Walter Anthony von der University of Fairbanks hält die Fackel an Bohrlöcher in einem mit Eis bedeckten See: Methangas steigt auf und entzündet sich in lodernden Stichflammen. Seit Zehntausenden Jahren sind gewaltige Mengen Methan in gefrorenen Böden und als Eis-Methan-Gemisch auf dem arktischen Meeresgrund gebunden. Nun beginnt der Klimawandel sie freizusetzen. Das Gas ist um ein Vielfaches klimawirksamer als das bekannteste Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), dessen Anteil in der Erdatmosphäre seit Beginn der industriellen Revolution explosionsartig größer geworden ist. Steigt zusätzlich das schlummernde Methan auf, erklärt der Wissenschaftler Pieter Tans vom Global Greenhouse Gas Reference Network in Colorado, könnte das den Planeten über den Kipppunkt hinausstoßen, bis zu dem wir die globale Erderwärmung noch halbwegs in den Griff bekommen können.

          Ursula Scheer

          Redakteurin im Feuilleton.

          Solche Botschaften können einen in Panik versetzen. Und tatsächlich ist die Lage ernst. Daran lässt der von Leonardo DiCaprio und Mathew Schmid für HBO produzierte Dokumentarfilm „Ice on Fire“ keine Zweifel. Aber Panik, zu der immer Kopflosigkeit gehört, ist nicht das Ziel der Reise an die Frontlinien der Klimakrise, bei der DiCaprio – anders als in seiner ersten Klima-Doku „Before the Flood“ – nur als Erzählerstimme, nie im Bild auftaucht. Denn es geht um andere: Wissenschaftler, die vom nicht mehr ewigen Eis bis in die Tropen die Veränderungen des Klimas erforschen, Temperaturen messen, Luftproben analysieren, das Schrumpfen der Gletscher dokumentieren und die Folgen abschmelzender Polkappen auf den Jetstream, der Luft rund um den Globus trägt, ergründen.

          Die Zutaten für einen globalen Notstand

          Sie sollen uns erklären, was vorgeht – und tun es ausführlich. Die Regisseurin Leila Conners kleidet das abstrakte Datenmaterial in heroische Landschaftsaufnahmen, über die sich dynamische Grafiken legen. Zeitrafferaufnahmen unterstreichen die Dringlichkeit des Themas. Wo immer es geht, nimmt Conners uns mit auf Recherche: Von den Berghöhen, auf denen Luftproben genommen werden, geht es ins Labor und zu Experten, die komplexe Zusammenhänge dem Laien verständlich machen. Sie sagen, was uns ihren Erkenntnissen nach droht, wenn wir die Emission von klimawirksamen Gasen nicht drastisch drosseln und es immer heißer wird. Michael E. Mann, Professor für Atmosphärenforschung an der Penn University, bringt es auf die Formel: eine Welt mit weniger Land (weil die Meeresspiegel steigen), weniger Nahrung (weil Landwirtschaft an vielen Orten schwierig oder unmöglich wird), weniger Süßwasser – und mehr Menschen. Das sind Zutaten für einen globalen Notstand.

          DiCaprio, der 1998 eine Umweltschutzstiftung gründete, ist der Kampf gegen den Klimawandel ein persönliches Anliegen. Für „Ice on Fire“ hat er seinen Vater mit ins Produktionsteam geholt. Der Film ist aus der amerikanischen Perspektive erzählt und richtet sich vornehmlich an ein amerikanisches Publikum – auch an Zweifler, die auf Trumps Versprechen von „sauberer Kohle“ hören und nicht glauben wollen, dass der globale Temperaturanstieg menschengemacht ist.

          „Ice on Fire“ konzentriert sich auf die Bedeutung des arktischen Eises. Seine wissenschaftlichen Gewährsmänner und -frauen findet DiCaprio vor allem in amerikanischen und europäischen Forschungseinrichtungen. Aus Deutschland kommen Wissenschaftler vom Mercator Research Institute in Berlin zu Wort. Als optische Unterstützung für die Daten und Fakten, die in ihrer Menge durchaus ermüden, sucht der Film kraftvolle Symbolbilder für den Planeten in der Krise, etwa eine kilometerlange Brücke in Island, unter der fast kein Wasser mehr fließt.

          Das wirkt umfassend und weist doch Lücken auf. Es wäre gut gewesen, genauer zu erklären, was die CO2-Anstiege früherer Erdzeitalter von dem heutigen unterscheidet. Und im zweiten Teil, der mögliche Antworten auf die Frage „Was tun?“ gibt, bekommen Unternehmer, die mit Wind- und Wasserkraft ihr Geld machen, Werbeauftritte. Dass gewaltige Turbinen durchaus Umweltprobleme schaffen und man nicht die ganze Landschaft mit Solarpaneelen pflastern kann, muss nicht verschwiegen werden. Hoffnung wecken sollen die gezeigten Methoden, CO2 aus der Luft zu saugen und zu bunkern oder mit Hilfe künstlicher Blätter Photosynthese zu betreiben.

          Wir sind nicht verloren, sagt DiCaprio in amerikanischer Frontier-Mentalität, wenn wir nur Techniken einsetzen, die wir schon haben und neue entwickeln. Dann steht uns eine nachhaltige, innovative, profitable Zukunft offen. Klingt idealistisch, weil es soziale Fragen und die internationale Politik fast komplett ausspart. Aber hat jemand einen besseren Vorschlag?

          Ice on Fire, 20.15 Uhr auf Sky Atlantic HD, auf den diversen Sky-Plattformen im Stream abrufbar.

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