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Trotz ICE-Super-Achsen droht Bahn Problemwinter

| Lesedauer: 5 Minuten
Wirtschaftskorrespondent
Ein Arbeiter kontrolliert ein Fahrwerk eines ICE 3 der Deutschen Bahn Ein Arbeiter kontrolliert ein Fahrwerk eines ICE 3 der Deutschen Bahn
Ein Arbeiter kontrolliert ein Fahrwerk eines ICE 3 der Deutschen Bahn
Quelle: picture-alliance/ dpa
Im Winter sind keine Lokführerstreiks nötig, um die Bahn zu bremsen. Zwar kann die DB endlich beginnen, die Problemachsen an den ICE zu tauschen. Das schafft Reserven. Dafür gibt es neue Engpässe.

Für einen Moment hätte man aufatmen können: Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) hat nach jahrelanger Prüfung endlich die dringend benötigten neuen ICE-Achsen zugelassen. Noch in diesem Jahr wird nun damit begonnen, die bisher verwendeten Problemachsen durch neue Radsätze auszutauschen.

Nachgerüstete Hochgeschwindigkeitszüge können damit deutlich schneller gewartet werden. Sie stehen der Bahn daher in viel kürzerer Zeit wieder zum Einsatz zur Verfügung. Der DB-Konzern würde damit gerade zu kritischen Jahreszeiten – wie dem Winter – im Fernverkehr über Reserven bei den Zügen verfügen, die es bislang nicht gibt. Das könnte bedeuten: weniger Verspätungen, weniger Zugausfälle.

Doch auf eine gute Nachricht kommen gleich drei schlechte. Erstens zieht sich der Austausch der Achsen über zweieinhalb Jahre hin. Das heißt, die Bahn und damit die Fahrgäste profitieren in diesem Winter noch nicht von den neuen Bauteilen.

Zweitens werden nur die ICE-3-Züge von Siemens nachgerüstet und nicht mal diese vollständig. Zunächst ist aus technischen Gründen nur eine Baureihe dran, das sind 50 der 64 ICE-3-Züge. Bei den ebenfalls problematischen Achsen der Neigetechnikschnellzüge, der ICE T, für die Siemens nicht verantwortlich ist, gibt es weiterhin keinen Durchbruch.

Zuletzt fehlen der Bahn im Fernverkehr weiterhin die bestellten Doppelstock-IC-Züge („Dostos“). 27 waren beim Schienentechnikhersteller Bombardier vor Jahren geordert worden, sie hätten eigentlich in diesem Dezember in den Einsatz gehen sollen.

Weiter warten auf die Doppelstock-IC-Züge

Doch wie bei den ICE-3-Zügen der neuesten Generation von Siemens hat auch Bombardier mit seinen Zügen technische Probleme. Und so kommen die „Dostos“ wohl erst im Dezember kommenden Jahres.

„In Summe bedeutet das, dass wir auch in diesem Winter im Fernverkehr mit eingeschränkter Fahrzeugverfügbarkeit unterwegs sind“, sagt ein Bahnsprecher. Denn die insgesamt 261 ICE-Züge der Bahn reichen ohnehin hinten und vorne nicht. Und von den 17 neuen ICE, die Siemens längst hätte liefern sollen, sind erst acht auf der Schiene.

Verkehrsminister fordert rasche Tarifgespräche

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bahn-Vorstandschef Rüdiger Grube sind nach dem GDL-Streik gemeinsam in Berlin aufgetreten. Dobrindt fordert schnelle und ausdauernde Tarifgespräche.

Quelle: Reuters

Die restlichen neun ICE 3 kommen wohl erst „im Laufe des kommenden Jahres“. So genau will sich da inzwischen weder die Bahn noch Siemens festlegen.

Die ausstehenden Doppelstockzüge verschärfen derweil das Problem bei der IC-Flotte. Eigentlich wollte die Bahn ab diesem Winter auf drei Linien mit den neuen Bombardier-Zügen unterwegs sein. Sie hätten ältere Wagen, die bereits seit Jahrzehnten unterwegs sind, ersetzen sollen.

Nun müssen die weiter ihren Dienst tun und fallen als geplante Reserve aus, wenn einer der neuen Züge mal liegen bleibt. Und das kann gerade im Winter, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, sehr schnell der Fall sein.

Achstausch war ursprünglich schon für 2012 geplant

Der Austausch der ICE-3-Achsen bedeutet, dass die betroffenen Züge künftig nur noch alle 240.000 Kilometer einem Ultraschall-Check unterzogen werden müssen. Dieser ist zurzeit alle 30.000 Kilometer vorgeschrieben. Das ist ein vergleichsweise kurzer Zeitraum, ein ICE legt pro Tag im Durchschnitt 1200 bis 1500 Kilometer zurück.

Bei der Ultraschallprüfung werden die Radsätze auf feinste Risse untersucht. Das Verfahren und die kurzen Zeitabstände waren vom EBA angeordnet worden, nachdem am 9. Juli 2008 ein ICE mit 250 Menschen an Bord bei der Ausfahrt aus dem Kölner Hauptbahnhof entgleist war. Die Ursache war eine gebrochene Radsatzwelle.

Verletzt wurde dabei niemand. Aber Experten gehen davon aus, dass bei einem Bruch während voller Fahrt eine Katastrophe wie in Eschede unvermeidbar gewesen wäre. Nach dem Vorfall in Köln hatte die Staatsanwaltschaft ermittelt und die Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) die Ursachen des Achsbruchs untersucht. Das Ergebnis war, dass alle 1100 der eigentlich dauerfesten Radsätze ausgetauscht werden müssen.

Ursprünglich sollte ein Teil der Züge bereits im Jahr 2012 umgerüstet sein. Entwicklung und Genehmigungsverfahren der neuen Achsen hatten jedoch länger gedauert als geplant. Unter anderem hatte das EBA zusätzliche Brems- und Belastungstests gefordert.

Züge müssen aufwendig abgetaut werden

Nun macht sich die Bahn ans Werk, doch der Austausch soll unter „rollendem Rad“ erfolgen, also während des laufenden Betriebs, um die Zahl der einsetzbaren Züge nicht noch weiter zu dezimieren. Erledigt wird das während der vorgeschriebenen Instandhaltungsarbeiten, daher zieht sich die Tauschaktion hin.

Die Ultraschallprüfungen der ICE-Züge alle 30.000 Kilometer schränken die Verfügbarkeit der Flotte stark ein. Die Checks, bei denen die Radsätze per „Schallung“ auf Risse untersucht werden, werden nachts in den großen ICE-Werken vorgenommen und dauern mehrere Stunden.

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Im Winter erhöhen sich Aufwand und Zeitbedarf deutlich, weil Züge dann nach Dienstende oft mit Schnee verkrustet, in einem „Eispanzer“, zur Inspektion rollen. Um geschallt werden zu können, müssen die ICE aber absolut eisfrei sein. Das heißt, sie werden zuvor in Auftauanlagen gerollt.

Während des Abtauens und Schallens können keine anderen Arbeiten an den Zügen erledigt werden. Das heißt, dass in den Nächten entweder ein Teil der Wartungsarbeiten liegen bleiben kann oder bei absolut nötigen Instandhaltungsarbeiten die Züge morgens nicht immer absolut pünktlich aus den Depots kommen.

Nach inoffiziellen Angaben ist der Deutschen Bahn durch die verkürzten Prüfintervalle ein Schaden von mehreren Hundert Millionen Euro entstanden. Er setzt sich aus Umsatzausfall, Einstellung neuen Prüfpersonals, Wartung und Erneuern der Achsen zusammen. Allein bis einschließlich 2009 veranschlagte die Bahn inoffiziell einen Schaden von 350 Millionen Euro – wobei die Summe nie nachgeprüft wurde.

Stillschweigen über die Kosten

Über die Gesamtkosten der Tauschaktion und ihre Verteilung haben Bahn und Siemens bis heute Stillschweigen bewahrt. Und anders als sonst hat sich in all den Jahren auch kein Leck gefunden, das mit weiteren Summen für Erhellung sorgte.

Klar ist nur, dass sich Siemens und Bahn darauf verständigt haben, dass der Hersteller die Entwicklungskosten der neuen Achsen zahlt, der Kunde DB für die Zulassung und den Einbau aufkommt.

Die Bahn hatte dafür in der Vergangenheit von einem „zweistelligen Millionenbetrag im unteren Bereich gesprochen“. Und Siemens hatte schon 2009 eine Summe in derselben Größenordnung für das Achsdebakel als Rückstellung gebildet.

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