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ICE-Strecke München–Berlin droht Verzögerung

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Die mit 8,5 Kilometern längste Eisenbahnbrücke Deutschlands wurde auf 200 Betonpfeilern durch die Saale-Elster-Aue errichtet Die mit 8,5 Kilometern längste Eisenbahnbrücke Deutschlands wurde auf 200 Betonpfeilern durch die Saale-Elster-Aue errichtet
Die mit 8,5 Kilometern längste Eisenbahnbrücke Deutschlands wurde auf 200 Betonpfeilern durch die Saale-Elster-Aue errichtet
Quelle: picture alliance / dpa/woi soe
Ende des Jahres soll das Kernstück der Bahn-Neubaustrecke München–Berlin in Betrieb gehen. Ein Konstruktionsfehler an Brücken gefährdet den Zeitplan. Eventuell müssen Streckenteile neu gebaut werden.

Ein halbes Jahr vor der geplanten Freigabe des neuen ICE-Abschnitts Leipzig-Halle/Erfurt gibt es noch immer keine Zulassung für die Brücken. Vertreter von Eisenbahnbundesamt, Baufirma, Deutscher Bahn und Bundesverkehrsministerium suchen eine Lösung und setzen sich dafür an diesem Donnerstag in Berlin ein weiteres Mal zusammen. Der Gleisabschnitt ist Teil der künftigen Hochgeschwindigkeitsstrecke, die Berlin und München in weniger als vier Stunden statt bisher in sechs Stunden verbinden soll.

Das Eisenbahnbundesamt (EBA) hat eine Gleisbett-Konstruktion auf dem rund 20 Kilometer langen Bauabschnitt Saale-Elster-Talbrücke bisher nicht zugelassen. Die Baufirma habe dort beim Gleisunterbau mehrerer Brücken eine „abgespeckte Variante“ verbaut, die sich erheblich von herkömmlichen Konstruktionsweisen unterscheide und von anerkannten Regeln der Technik abweiche, teilte das Amt am Mittwoch mit.

Gemeint ist die Schicht zwischen Brücke und Gleis, die sogenannte Feste Fahrbahn. Laut EBA verzichtete die Baufirma darauf, den Beton wie üblich mit Stahlstäben zu versehen, die die Spannungen aufnehmen. Um eine Zulassung zu bekommen, müsse die Baufirma nachweisen, dass dies ebenso sicher ist wie die übliche Bauart.

Bahn will die Strecke zum Jahresende in Betrieb nehmen

Ein Bahnsprecher sagte: „Wir gehen davon aus, dass wir die Strecke planmäßig am Jahresende in Betrieb nehmen.“ Bahnchef Rüdiger Grube hatte erst vor drei Wochen neue ICE-Verbindungen von Erfurt nach Berlin angekündigt. Nach den Plänen der Bahn soll die nächste Teilstrecke – der Neubauabschnitt Erfurt-Nürnberg – 2017 fertig werden und so die schnelle Verbindung Berlin-München ermöglichen.

Nach einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ ) droht das Projekt aber wegen der Brücken in Thüringen finanziell und zeitlich aus dem Ruder zu laufen, weil hier ein Rück- und Neubau drohe. Das Bundesverkehrsministerium verwies auf die laufenden Gespräche. „Das Ergebnis dieser Beratungen ist abzuwarten.“ Ein Zeitplan wurde nicht genannt. Die Bahn sprach von einem normalen Zulassungsverfahren.

Die Neubaustrecke der Bahn von Berlin bis München
Die Neubaustrecke der Bahn von Berlin bis München
Quelle: Infografik Die Welt

Die 123 Kilometer lange Neubautrasse zwischen dem Bahnknoten Halle/Leipzig und Erfurt ist das Kernstück der neuen ICE-Strecke. Über diese „Schienen-Autobahn“ kann ein ICE mit Tempo 300 beinahe schnurgerade durchfahren, statt sich mit 60 bis 120 Kilometern pro Stunde über Naumburg, Jena und Saalfeld durch das enge Saaletal zu schlängeln. Drei Tunnel und sechs Brücken ließ die Bahn zwischen 2006 und 2012 dafür bauen, darunter den knapp sieben Kilometer langen Finnetunnel und die 8,6 Kilometer lange Saale-Elster-Talbrücke, bei der nun die Zulassung in Gefahr ist.

Weniger als vier Stunden Fahrzeit nach München

Im Dezember 2017 soll nach derzeitigem Planungsstand die tunnelreiche Neubaustrecke zwischen der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt und dem fränkischen Ebensfeld eröffnet werden. Dann will die Bahn das eigentliche Ziel des milliardenschweren Baus erreichen: Eine Fahrt von Berlin nach München in weniger als vier Stunden. Nach dem aktuellen Planungsstand wird der ICE-Sprinter, der beide Städte ohne Zwischenhalt verbindet, die rund 700 Kilometer lange Strecke in nur drei Stunden und 50 Minuten zurücklegen.

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Quelle: Zoomin.TV

Der reguläre ICE benötigt bei Stopps etwa in Halle, Erfurt oder Nürnberg dann vier Stunden 20 Minuten. Nimmt der Schnellzug die Route über den Leipziger Hauptbahnhof, einem Kopfbahnhof, werden es nur zehn Minuten mehr sein. Die ICE sollen zwischen beiden Metropolen im Stundentakt fahren. Die Bahn hofft, dass sich dadurch ihr Anteil am öffentlichen Verkehr zwischen Berlin und München 2018 von 20 auf 40 Prozent verdoppelt.

Bau der Strecke wurde 1999 gestoppt

Bereits im April 1991, kurz nach der deutschen Wiedervereinigung, hatte die Bundesregierung ein weitreichendes Programm zu einer Modernisierung der vor allem im Osten völlig maroden Verkehrsinfrastruktur aufgelegt. Beschlossen wurden 17 sogenannte Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE). Das Projekt mit der Nummer acht sieht den Bau einer schnellen Bahnverbindung von Berlin über Halle/Leipzig nach München vor.

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Quelle: N24

1996 war Baubeginn, 1999 stoppte die damalige rot-grüne Bundesregierung allerdings die Arbeiten. Zu teuer und zu unökologisch sei das Mammutprojekt, das mitten durch die Saale-Unstrut-Niederung und den Thüringer Wald führt, hieß es damals. Pikanterweise lenkte der damalige Verkehrsminister Franz Müntefering (SPD) die frei werdenden Mittel dann in den Autobahnbau um.

Thüringen hat unnötigen Umweg durchgesetzt

Die Trassenführung war jahrelang heftig umstritten. Die Strecke, wie sie künftig verlaufen wird, macht einen großen Bogen Richtung Westen, um die thüringische Landeshauptstadt Erfurt anschließen zu können. Geschickt hatten die Landesregierungen Thüringens nach der Wende diese Linienführung durchgesetzt – gegen den heftigen Widerstand Sachsens.

Das Land Sachsen hatte sich wiederholt für eine kürzere Verbindung (Luftlinie) Berlin–München starkgemacht. Die Argumente dafür waren noch kürzere Fahrzeiten und geringere Baukosten. Bund und Bahn lehnten die sogenannte Franken-Sachsen-Magistrale letztlich ab. Neben den Sachsen hatten auch Bahnexperten den Umweg nach Erfurt wiederholt kritisiert.

Eine direkte Verbindung von Franken nach Leipzig hätte den schwer erschließbaren Thüringer Wald umgangen und die dicht besiedelten Gebiete im Raum Gera/Zwickau/Chemnitz mit rund zwei Millionen Menschen besser anschließen können, argumentierte unter anderem das Verkehrsplanungsunternehmen Vieregg-Rössler. Durch die Umfahrung des Thüringer Waldes hätten zahlreiche lange, hohe Talbrücken und rund 30 Kilometer Tunnel vermieden werden können.

pos

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