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Chinas Schnellzüge bedrohen Zukunft von ICE und TGV

| Lesedauer: 5 Minuten
Wirtschaftskorrespondent
Arbeiter verlegen Gleise für die Expressstrecke Shanghai-Kunming Arbeiter verlegen Gleise für die Expressstrecke Shanghai-Kunming
Arbeiter verlegen Gleise für die Expressstrecke Shanghai-Kunming
Quelle: picture alliance / Photoshot
Jahrelang produzierte China Schnellzüge für den eigenen Markt. Doch der ist gesättigt. Nun greift man Siemens und Co an.
  • Mit Know-How aus dem Westen schaffte es Chinas Bahnindustrie, wettbewerbsfähig zu werden.
  • Der Angriff auf Unternehmen wie Siemens, Vossloh oder Alstom erfolgt nun über den Preis.

Erst waren die Briten in der Bahnindustrie führend, dann wurden sie von den Deutschen, Franzosen und Japanern abgelöst. Und nun steht in diesem weltweit wichtigen Industriezweig erneut ein Gezeitenwechsel an. Die Chinesen drängen auf den Markt und verdrängen mit zunehmendem Erfolg die Konkurrenz aus Europa oder Japan aus lukrativen Geschäftsfeldern.

Im Bereich der Hochgeschwindigkeitszüge hat der chinesische Bahntechnik-Riese CRRC inzwischen einen globalen Marktanteil von 69 Prozent. Bis zum Jahr 2007 musste die Volksrepublik entsprechende Züge noch importieren beziehungsweise vor Ort mithilfe ausländischer Hersteller fertigen lassen.

Die Schienentechnikindustrie hat bei den Superschnellzügen in den vergangenen Jahren eine beispiellose Konsolidierung und Konzentration erfahren. Hochgeschwindigkeitszüge werden inzwischen zu 90 Prozent von nur noch drei Herstellern produziert. Neben dem absoluten Marktführer CRRC, der aus der Fusion der beiden chinesischen Schienentechnikkonzerne CNR und CSR hervorgegangen ist, haben nur noch die japanischen Konsortien und der französische Alstom-Konzern nennenswerte Marktanteile.

Der Marktanteil der Chinesen ist rasant gewachsen

Die Japaner um die Konzerne Kawasaki und Hitachi kamen zuletzt auf neun Prozent Anteil am Weltmarkt bei den Superzügen, Alstom – Hersteller des TGV – auf acht Prozent. Siemens, mit dem in Deutschland ICE genannten Velaro-Zug – einmal führend bei Hochgeschwindigkeitsbahnen –, erreicht noch drei Prozent Marktanteil. Das geht aus einer aktuellen Studie des Bahnberatungsunternehmens SCI hervor. Die restlichen elf Prozent verteilen sich auf Hersteller wie Bombardier, CAF, Talgo oder die ehemalige AnsaldoBreda.

CRH-Hochgeschwindigkeitszüge im Pekinger Südbahnhof
CRH-Hochgeschwindigkeitszüge im Pekinger Südbahnhof
Quelle: picture alliance / dpa

Die Zahlen der vergangenen Jahre belegen, wie rasant die Chinesen in diesem Geschäft gewachsen sind. 2007 bis 2009 hatten CNR und CSR gerade mal einen Marktanteil bei Hochgeschwindigkeitszügen von 14 Prozent. Das waren nur zwei Prozent mehr als Siemens damals weltweit hatte. Die Japaner und Alstom lagen in dieser Zeit bei 22 beziehungsweise 21 Prozent. Bis 2007 wurde das Geschäft mit den lukrativen Superschnellzügen ausschließlich von den Europäern, allen voran den Franzosen und Deutschen, sowie den Japanern beherrscht.

Die nun entthronten Hersteller haben dabei nicht nur Marktanteile verloren, sondern mussten auch insgesamt Rückgänge bei den absoluten Auslieferungszahlen hinnehmen. Zwar ist der Markt für Hochgeschwindigkeitszüge bislang kräftig gewachsen und liegt heute bei 9,9 Milliarden Euro pro Jahr. Doch von der steigenden Nachfrage haben fast ausschließlich die Chinesen profitiert.

Lange war China auf Know-How aus dem Ausland angewiesen

Überraschend ist das nicht. In keinem anderen Land der Welt wurde in den vergangenen Jahren so viel in den Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes investiert wie in der Volksrepublik. So entstand dort binnen kurzer Zeit die größte Schnellzugflotte der Welt. Die Partei- und Staatsführung achtete dabei allerdings genau darauf, dass die Züge aus einer Produktion in China kamen – und auch in Zukunft kommen werden.

(151226) -- HAMI, Dec. 26, 2015 () -- Photo taken Dec. 24, 2015 shows a high -speed train in Liuyuan South Station, northwest China's Gansu Province. Saturday marks the one-year anniversary of the operation of the high-speed railway linking Lanzhou, capital of northwest China's Gansu Province, and Urumqi, capital of northwest China's Xinjiang Uygur Autonomous Region. (Xinhua/Cai Zengle) (yxb) |
Einer der Super-Schnellzüge aus chinesischer Produktion
Quelle: picture alliance / Photoshot

Dabei waren die Chinesen über Jahre auf die Hilfe ausländischer Hersteller angewiesen. Siemens, Alstom, Bombardier und die Japaner wurden zu je einem Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Partnern verpflichtet. Anders als in der Automobilindustrie hatten die Chinesen dabei Zugriff auf die komplette Technik, auch auf die neuesten Entwicklungen.

Die schützenden „Chinese Walls“, die die Autobauer errichtet haben, gab es bei den Bahnherstellern nicht. So waren die Partner aus der Volksrepublik in der Lage, Züge zu bauen, die nun auf einem Niveau mit dem japanischen Shinkansen oder den Konkurrenzprodukten aus Europa sind.

China kauft sich Marktanteile über den Preis

Bislang hatten sich die chinesischen Zugbauer ganz darauf konzentriert, die Nachfrage bei den Superschnellzügen im eigenen Land zu befriedigen. Exporte gab es so gut wie keine. Dabei sind riesige Überkapazitäten entstanden, denn Peking investiert inzwischen weniger in das Schnellzugnetz, weil die Ausbaupläne erreicht sind.

„Der erwartete Rückgang der Neubeschaffungen führt nicht nur zu einem Wachstumsrückgang von 3,9 Prozent bis 2020, sondern auch zu zusätzlichem Wettbewerbsdruck für die anderen Hersteller“, sagt SCI-Chefin Maria Leenen.

Denn die Folge der abflauenden Beschaffungswut in China ist, dass sich CRRC neue Märkte im Ausland sucht. „International wettbewerbsfähige Züge haben die Chinesen, außerdem gehen sie ziemlich sportlich in die Preisverhandlungen“, so Leenen. Das heißt: CRRC kauft sich Marktanteile mit günstigen Preisen. Noch ist es nicht so weit, dass die Chinesen Hochgeschwindigkeitszüge in Europa anbieten. „Aber sie rücken den europäischen Herstellern immer näher, der Druck steigt. Großbritannien könnte ein erster Markt für die Chinesen sein“, so Leenen.

Siemens und Vossloh sind besonders bedroht

Nun sind Superschnellzüge eine Nische im Schienentechnikgeschäft. Das Gros der Gewinne machen die Konzerne mit Nahverkehrs- oder S-Bahnen und Lokomotiven, mit Leit- und Signaltechnik oder dem Aftersale-Geschäft. Aber Hochgeschwindigkeitszüge garantieren Aufmerksamkeit, sie sind wie eine Visitenkarte für die Hersteller – sie stehen für das technische Können eines Konzerns. „Erfolge mit diesen Zügen haben Symbolkraft. Die Chinesen zielen damit auf das Herz der europäischen Bahnindustrie“, sagt Maria Leenen.

Das ist vor allem für Deutschland gefährlich, einem traditionellen Bahnhersteller-Land. Siemens, Vossloh und eine ganze Reihe wichtiger Mittelständler haben dort ihren Sitz. Und der kanadische Bombardier-Konzern. Der baut zwar nicht im Alleingang Superschnellzüge, ist und war aber an vielen Konsortien beteiligt, zum Beispiel beim ICE. Bombardier steuert seine weltweite Zugsparte aus Berlin. Druck aus China könnte den angeschlagenen Zugsparten von Siemens oder Bombardier noch stärker zusetzen.

Maria Leenen glaubt, dass CRRC in „weniger als einem Jahr“ den Zuschlag für eine Lieferung von Superschnellzügen ins Ausland bekommt. „Das bedeutet dann: Sie haben es geschafft, China exportiert anspruchsvollste Zugtechnik“, so Leenen. Dann müssen die weltweiten Rivalen um das bangen, was noch ihr höchstes Gut ist: den Ruf, Technologieführer zu sein.

Geliebt und gehasst - 25 Jahre ICE

Ursprünglich wollte die Bahn ein Konkurrenz-Angebot zum Flugzeug schaffen. Der ICE 4 ist jedoch deutlich langsamer, aus Sicherheitsgründen. Dafür gehen die Klimaanlagen - und angeblich gibt es W-LAN.

Quelle: Die Welt

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