Nach Horror-Tat von Frankfurt Wer schützt uns
vor irren Tätern?

Debatte um Sicherheit an Bahnhöfen entbrannt

Am Tag nach dem Tod eines 8-jährigen Jungen, der auf die Gleise gestoßen wurde, haben Trauernde Blumen, Kerzen und Kuscheltiere an der Unfallstelle abgelegt
Am Tag nach dem Tod eines 8-jährigen Jungen, der auf die Gleise gestoßen wurde, haben Trauernde Blumen, Kerzen und Kuscheltiere an der Unfallstelle abgelegtFoto: Fredrik von Erichsen

Diese Tat schockiert Deutschland: Ein Mann stößt am Montag einen ihm offenbar unbekannten Jungen und dessen Mutter auf die Gleise. Die Mutter kann sich gerade so auf einen kleinen Fußweg zwischen den Gleisen retten, ihr Sohn wird vom einfahrenden ICE erfasst und stirbt!

Eine brutale Wahnsinnstat, die viele Fragen offen lässt und zu Diskussionen über Sicherheit an Bahnhöfen geführt hat. Denn Fakt ist: In Deutschland gibt es 5600 Bahngleise und Bahnhaltestellen.

Wer schützt Bahnreisende davor, auf die Gleise gestoßen zu werden?

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Forderung nach mehr Polizei

Martin Burkert (SPD) fordert in BILD, dass die Bahn „die Aufsicht an Bahnsteigen“ wieder verstärkt: „Eine bessere Aufsicht würde schon mal helfen. Außerdem fehlen Bundespolizisten.“

Auch Daniela Kluckert (38, FDP), Vize-Vorsitzende im Verkehrsausschuss des Bundestages sagt: „Es ist wichtig, dass die Bundespolizei auf Bahnhöfen und in Bahnen stärker präsent ist.“

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Bahn lehnt Umbau ab

In Kreisen der Konzernführung der Deutschen Bahn hieß es gegenüber BILD, Forderungen, die Bahnsteige nur noch für Ticketinhaber betretbar zu machen, wenn ein Zug bereits gehalten hat (etwa über Drehkreuze und QR-Codes), seien nachvollziehbar. Aber: Das würde Hunderte Millionen Euro kosten und zu Schlangen an den Bahnsteigen führen.

Auch Karl-Peter Naumann (68) vom Fahrgastverband „Pro Bahn“ hält einen flächendeckenden Umbau der Bahnhöfe für unrealistisch, das sei „logistisch kaum umzusetzen“.

Anke Rehlinger (43, SPD) hält Taten wie in Frankfurt für kaum verhinderbar. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte die saarländische Verkehrsministerin und Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz: „Eine solche Tat offenbart keine Sicherheitslücke, sondern eine Menschlichkeitslücke.“

Grünen-Verkehrsexpertin Valerie Wilms (65) mahnt wegen der Schreckenstat von Frankfurt generell zu mehr Vorsicht: Fahrgäste sollten sich niemals zu nah an ein Gleis begeben. „Wenn sich alle an die Regeln halten, reichen diese Maßnahmen für eine sichere Benutzung der Bahnsteige aus.“

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, warnte unterdessen gegenüber dem RND vor Nachahmungstätern. Die Polizei versuche präventiv zu handeln, stoße aber bei vorsätzlichen Taten an ihre Grenzen. Forderungen nach mehr Personal bezeichnete der GdP-Vize als unseriös.

Die Horror-Tat von Frankfurt

Um kurz vor 10 am Montagvormittag werden Mutter (40) und Sohn (8) auf die Gleise am Frankfurter Hauptbahnhof gestoßen, der einfahrende Zug bremst, aber überrollt den Jungen und verletzt ihn tödlich. Die Mutter konnte sich noch zur Seite rollen, steht danach unter Schock.

Der mutmaßliche Täter (40) rennt weg, wird von Passanten überwältigt und am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt. Er stammt aus Eritrea und hatte offenbar keine Verbindung zu seinen Opfern. Vier Gleise des Bahnhofs blieben für Stunden gesperrt.

Kein Einzelfall

Erst am Samstag voriger Woche war im Bahnhof der niederrheinischen Stadt Voerde eine 34 Jahre alte Mutter vor einen Regionalzug gestoßen worden und ums Leben gekommen.

Der 28-jährige Tatverdächtige - ein in Deutschland geborener Serbe - sitzt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Der mutmaßliche Täter und das Opfer kannten sich den Ermittlern zufolge ebenso wie im Frankfurter Fall nicht.

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Nach den Untersuchungen einer Blutprobe gibt es Hinweise auf Kokain-Konsum. Es seien bei ihm Abbauprodukte von Kokain im Blut nachgewiesen worden. „Das heißt aber nicht, dass er konkret unter Kokaineinfluss stand“, sagte der Duisburger Staatsanwalt Alexander Bayer am Montag.

Junge in Frankfurt vor ICE gestoßen: Wer schützt uns vor irren Tätern?
Foto: Jens Oellermann

Kein deutsches Phänomen

Nicht nur wir in Deutschland müssen die schrecklichen Taten der Bahn-Killer verarbeiten:

Aus den vergangenen Jahren gibt es ähnliche Geschichten aus Indien, Brasilien, den USA, Spanien und Russland. Häufig waren die Gewalttäter alkoholisiert oder standen unter Drogen, manchen Tätern konnte eine psychische Störung nachgewiesen werden und in einigen Fällen hatte es Streit zwischen Täter und Opfer gegeben.

Um Stürze und absichtliches Stoßen ins Gleis zu verhindern, sind an vielen U-Bahnhöfen in aller Welt die Bahnsteige durch eine Absperrung mit Türen von den Gleisen getrennt. Die Türen öffnen sich erst, wenn der Zug gehalten hat.

Bei ausländischen U-Bahnen gibt es bereits häufig Sicherheitsabsperrungen, abgebildet ist die Station Invalides in Paris
Ein Beispiel aus Paris: An der Station Invalides schützt eine Absperrung die Fahrgäste auf dem BahnsteigFoto: Gilles ROLLE/REA/laif
Passagiere warten auf die U-Bahn in Singapur hinter Glastüren, diese öffnen sich erst, wenn die Bahn eingefahren ist
Passagiere warten auf die U-Bahn in Singapur hinter Glastüren, diese öffnen sich erst, wenn die Bahn eingefahren istFoto: picture-alliance/ ZB

Die älteste Konstruktion befindet sich in der U-Bahn von St. Petersburg in Russland, sie wurde in den Jahren 1961 bis 1972 gebaut. Auch bei der neuen fahrerlosen U-Bahn in Rom (Metro C) gibt es die Sicherheitswände und Türen, die sich erst nach Einfahrt des Zuges öffnen.