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Arbeitswege : Pendeln ohne Ende

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Pendeln ist nicht gleich pendeln: Wer mit dem Arbeitgeber einen Homeoffice-Tag aushandelt oder einen Vertrag im Fitnessstudio, kann die langen Wege viel besser ertragen. Bild: Felix Seuffert

Immer mehr Menschen nehmen lange Wege zur Arbeit auf sich. Aber viele schlittern unüberlegt ins anstrengende Pendlerdasein hinein. Dabei lohnt es sich, klug mit dem Arbeitgeber zu verhandeln. Denn von gesunden und zufriedenen Pendlern haben beide Seiten etwas.

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          Rund 16 Jahre ist sie gependelt, an vier Tagen in der Woche. Der ICE brauchte für die 230 Kilometer von ihrem Wohnort bis zu der Stadt, wo sich das Unternehmen befindet, etwa 70 Minuten. Hinzu kamen jeweils der Weg zum und vom Bahnhof, alles in allem mehr als zwei Stunden je Strecke. Wenn alles glatt lief, stand sie morgens um halb fünf auf und kehrte um 20 Uhr nach Hause zurück. Manchmal tobte aber auch ein Unwetter und sorgte dafür, dass ihr Zeitplan durcheinandergeriet. Oder ein Notarzteinsatz führte dazu, dass der Zug verspätet einlief.

          Sie war als Beraterin in der freien Wirtschaft tätig. Seit kurzem ist sie in Altersteilzeit und froh darüber, dass sie nun nicht mehr so viel unterwegs ist. Denn je älter sie wurde und je länger sie pendelte, desto stärker spürte sie die Folgen. Jetzt kann sie entspannt über die Zeit erzählen. Ihren Namen möchte sie dennoch nicht in der Zeitung lesen, nennen wir die Beraterin deshalb einfach Frau Gerling. Mit den Jahren wurde Frau Gerling hochempfindlich gegenüber den kleinsten Störungen ihres perfekt durchorganisierten Lebens. Lange Zeit hatte sie ja morgens im Zug noch am Laptop gearbeitet und auf der Rückfahrt Krimis gelesen. „Von der ständigen Belastung taten mir die Augen weh“, sagt sie. Das ist jetzt besser. Langsam lassen auch die anderen chronischen Beschwerden nach, die Kopfschmerzen, die andauernde Müdigkeit, die Unfähigkeit, sich auf eine Sache zu konzentrieren.

          Andere Berufspendler schlafen schlecht oder haben Rückenschmerzen vom vielen Sitzen. Lange Wege zum Arbeitsplatz seien gerade für Ältere anstrengend, sagt Anette Haas vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dem wissenschaftlichen Arm der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Die Volkswirtin beschäftigt sich seit langem mit Pendlerströmen.

          Vor allem die Hochqualifizierten nehmen lange Wege auf sich

          Laut Statistischem Bundesamt haben diese zugenommen - seit 2004 um 11 Prozent. Wirtschaftlich starke Regionen wie München, Stuttgart, Mannheim, Frankfurt am Main, Hamburg und das Ruhrgebiet ziehen viele Pendler an. Es seien vor allem die Hochqualifizierten, die lange Wege zur Arbeit auf sich nähmen, beobachtet Haas: „In dieser Gruppe gibt es auch mehr Fernpendler als unter Menschen mit Berufsausbildung oder ohne Abschluss.“ Fernpendler haben mehrmals in der Woche einen Arbeitsweg von mehr als einer Stunde oder mehr als 50 Kilometern.

          In Ballungsräumen sind die Mieten stark gestiegen. So lebt manche Familie außerhalb von München, weil sie in der Stadt keine bezahlbare Wohnung findet. Früher ließen sich Paare dort nieder, wo der Mann eine passende Stelle gefunden hatte. „Dass mehr Menschen als früher dauerhaft pendeln, liegt auch daran, dass Frauen heute besser ausgebildet sind und sich einen adäquaten Job wünschen“, sagt Haas. So war es auch bei Beraterin Gerling. Ihr Partner hat an ihrem Wohnort eine feste Stelle; auch die Kinder sind dort verwurzelt. Doch sie fand keine gutbezahlte Arbeit, die ihrer Qualifikation entsprach. Als sie sich Ende der neunziger Jahre für ein Unternehmen entschied, das 230 Kilometer entfernt lag, galt sie als Exotin. Da war sie schon über vierzig. „Mit fünfzig Jahren nimmt die Bereitschaft zum längeren Pendeln bei Männern und Frauen ab“, sagt Haas. „Mit zunehmendem Alter versuchen viele Arbeitnehmer, den Job zu wechseln, um den Arbeitsweg zu verkürzen.“

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