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Ifo-Institut rechnet Modelle durch: Bis zu 16,4 Milliarden Euro weniger Steuern: So kann der Ampel-Kompromiss aussehen
Die Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und FDP-Chef Christian Lindner bei einer Pressekonferenz.
Foto: dpa Die Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und FDP-Chef Christian Lindner bei einer Pressekonferenz.
  • Finanzen100-Autor

Beim Thema Steuern liegen die möglichen Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP am weitesten inhaltlich auseinander. Das Münchner Ifo-Institut hat mögliche Kompromisse durchgerechnet, mit denen alle drei Parteien leben könnten. Ergebnis: Wer nicht reich ist, profitiert.

Viel unterschiedlicher hätten die Steuerkonzepte von SPD, Grünen und FDP vor der Wahl kaum aussehen können. Während erstere beide Parteien massiv kleine und mittlere Einkommen entlasten und höhere stärker belasten wollen, zeigt sich die FDP vor allem daran interessiert, den wohlhabenderen Deutschen zu noch mehr Geld zu verhelfen – oder ihnen zumindest jedwede Steuererhöhung zu ersparen.

Daraus einen Kompromiss zu basteln, den am Ende jede Partei vor ihrer Wählerschaft vertreten kann, ist nicht leicht. Das Münchner Ifo-Institut hat deswegen mehrere Modelle angeschaut und durchgerechnet, welches die Deutschen um wie viel Steuergeld pro Jahr entlastet.

Vier Modelle von 7,8 bis 16,4 Milliarden Euro Entlastung

Die Forderungen von SPD und Grünen ähneln sich dabei in vielen Punkten: Beide wollen den Spitzensteuersatz und die Reichensteuer erhöhen, eine Vermögensteuer einführen, die Erbschaftssteuer und den Grundfreibetrag erhöhen. Die FDP hingegen lehnt jegliche Steuererhöhungen ab und will zudem den Solidaritätsbeitrag, den aktuell nur noch Menschen mit einem Einkommen von mehr als 75.000 Euro bezahlen müssen, komplett abschaffen.

Am wahrscheinlichsten erscheint deswegen ein Modell, bei dem etwa die Steuerpläne der SPD und/oder der Grünen zumindest teilweise übernommen werden und die FDP sich mit der Soli-Abschaffung durchsetzt. Dabei braucht es nicht viel, um bereits große Erleichterungen zu bewirken. Eine Anhebung des Grundfreibetrags von derzeit 9.744 Euro auf 10.744 Euro – ein Vorschlag von sowohl SPD als auch Grünen – würde schon 8,2 Milliarden Euro Entlastung für alle Einkommensklassen bringen. Wird der Soli noch zusätzlich abgeschafft, erhöht sich die Ersparnis bereits auf 10,2 Milliarden Euro.

Mehrbeschäftigung wirkt Entlastung kaum entgegen

Ein solcher Kompromiss wäre bereits wirkungsvoller, als wenn die Pläne der Grünen komplett übernommen und zusätzlich der Soli abgeschafft würde. Laut Ifo-Berechnungen würde dies nur mit 7,8 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Würde sich die SPD mit ihren Vorschlägen in den Verhandlungen komplett durchsetzen und zusätzlich der Soli abgeschafft werden, gibt es die größte Erleichterung: 16,4 Milliarden Euro.

Mehr Entlastung für die Bürger bedeutet aber gleichzeitig auch weniger Steuereinnahmen für den Staat. Das ist insbesondere deswegen kritisch, weil alle drei Parteien hohe Investitionen in den kommenden Jahren planen - SPD und Grüne primär in den Klimaschutz, die FDP primär in Digitalisierung.

Allerdings würden Steuerentlastungen auch zu mehr Beschäftigung führen, argumentiert das Ifo-Institut. Schließlich werden auch Unternehmen indirekt entlastet, wenn ihre Mitarbeiter vom gleichen Bruttolohn mehr netto in der Tasche haben. Allerdings halten sich diese Effekte in Grenzen. Von den 16,4 Milliarden Euro Entlastung im günstigsten Fall ließen sich durch mehr Beschäftigung nur 2,8 Milliarden Euro wieder durch Mehreinnahmen finanzieren. Bei den Vorschlägen der Grünen plus Soli-Abschaffung wären es 1,2 der 7,8 Milliarden Euro Entlastung.

Familien profitieren am stärksten, Alleinerziehende am geringsten

Das sind alles bisher allerdings absolute Zahlen für die Gesamtbevölkerung. Sie lassen sich aber auch ganz konkret nach Haushaltstypen und Einkommensgruppen aufschlüsseln. Dabei zeigt sich, wie stark die Abschaffung des Solis hohe Einkommen bevorteilen würde. In jedem Szenario, in dem der Beitrag abgeschafft wird, profitieren die reichsten zehn Prozent der Deutschen am stärksten. Ihr Gewinn reicht von 820 bis 1492 Euro mehr Einkommen pro Jahr, was zwischen 0,9 und 1,6 Prozent mehr als heute entspricht. Hingegen würden alle übrigen Einkommensklassen 0,1 bis 0,4 Prozent mehr in der Tasche haben. Lediglich wenn der Soli bliebe, würden niedere Einkommen stärker profitieren als die reichsten zehn Prozent.

Was in allen Modellen gleich bleibt: Die Ersparnis für Familien mit Kindern liegen deutlich über denen von kinderlosen Paaren und Singles. Familien profitieren am stärksten bei der Variante „SPD + Soli-Abschaffung“ mit 650 Euro mehr pro Jahr. Bei „Grüne + Soli-Abschaffung“ wären es immerhin 304 Euro mehr. Für Singles gäbe es zwischen 107 und 227 Euro mehr, Alleinerziehende würden mit 78 bis 164 Euro in jedem Modell die kleinste Erleichterung bekommen.

Welche Kompromisse realistisch sind

Fraglich ist aber, wie der Steuer-Kompromiss der Ampel am Ende tatsächlich aussehen wird. Im Ende der vergangenen Woche veröffentlichen Sondierungspapier, das als Grundlage der Verhandlungen dienen soll, ist die Rede davon, keine neuen Substanzsteuern einzuführen und insbesondere nicht die Einkommensteuer zu erhöhen. Das würde etwa die Wiedereinführung der Vermögensteuer und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes unwahrscheinlich machen.

Die Erbschaftsteuer wird nicht explizit erwähnt. Außerdem ließen sich kleinere Einkommen ent- und höhere Einkommen stärker belasten, ohne dafür die Einkommensteuer zu erhöhen. Allein die genannte Erhöhung des Grundfreibetrags würde dies gewährleisten, insbesondere, wenn dann etwa der Spitzensteuersatz oder die Reichensteuer im Umkehrschluss schon bei niedrigeren Einkommen als heute greift.

Trotzdem dürfte am Ende eine traurige Entwicklung stehen. Das Ifo-Institut geht davon aus, dass bei jedem der Kompromiss-Modelle am Ende die Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen in Deutschland steigen wird – ärmere also im Vergleich zu reicheren weiter verlieren. Das ist besonders beim Vermögen enttäuschend, denn hier gehört Deutschland bereits zu den ungerechtesten Staaten der Welt.

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Leser-Kommentare (40)
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Samstag, 30.10.2021 | 18:05 | Rolf-Werner Schmitz

Tradition bei uns:

Wenn eine Partei will, daß die MwSt um 2 % erhöht wird und eine andere, daß sie nicht erhöht wird, dann besteht der Kompromiss darin, daß sie um 3 % erhöht wird. Versteht doch jeder aus Anhieb, oder?

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Donnerstag, 21.10.2021 | 02:57 | Christoph Breitner

Abwarten

wenn es wirklich zum Eingemachten wie das liebe Geld kommt, werden die Gespräche bald unlösbar. Ich tippe auf Neuwahlen im März 2022. Ansonsten wäre ich für happige Rentenkürzungen so um die 50%. Schließlich haben die letzen DE Generationen das Weltklima zu mindestens um so 1% so richtig kaputt gekriegt. Dafür sollten sie nun zur Kasse gebeten werden. Warum sollen das nur die jungen Menschen ausbaden.

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Mittwoch, 20.10.2021 | 06:49 | Michael May

Geld

ist doch nur bedrucktes Papier und Europa druckt gerade soviel davon, das reicht auch für die rot grün gelben Pläne der Deutschen!!!!

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Dienstag, 19.10.2021 | 16:29 | Wolfgang Langmacher

War doch klar,

wenn zwei Parteien dabei sind, die vornehmlich eine Klientel mit höherem Einkommen im Blick haben, werden ihre Pläne eher diese begünstigen. Weil die SPD ohne diese Partner nicht regieren kann, wird sie diesen faulen Kompromiss sicher eingehen. Was das mit dem sozialen Zusammenhalt bzw. mit dem sozialen Ungleichgewicht macht, wirkt sich erst später aus und so weit kann kein Politiker denken!

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Dienstag, 19.10.2021 | 14:35 | Manfred Grunewald

Keine Steuererhöhungen, ein Witz, den nicht Jeder

gleich versteht. Aus den Artikeln, die sich, aus welchen Gründen auch immer, jetzt stark verteuert haben wie z.B. die Energie erhält der Staat Mehreinnahmen. Das sind indirekt Steuererhöhungen, denn der Staat könnte seinen Einnahmeanteil auch Deckeln, alles was reislich über eine vorher definierte Höhe geht, wird dann nicht mehr mit den kaum noch erkennbaren Steuerparametern belastet. Ist nicht so, zu dumm sind unsere Politiker, dieses Mittel gegen die hohen Belastungen einzusetzen. Nicht zu dumm sind sie, ihre Diäten und Vorsorgepakete zu definieren. Warum werden diese politischen Ämter nicht auch von Ehrenamtlern besetzt? Ohne die läuft eh wenig in unserem Staat!

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Dienstag, 19.10.2021 | 11:55 | Martin Groeger-Schlink

Staatsausgaben sind bereits hoch

Es wird viel zu wenig über Einsparungen und Steuerverschwendung geredet. Da könnte man hunderte Beispiele nennen. Der Staat sollte sich auf seine Kernaufgaben (Verteidigung, Sicherheit, Bildung, etc.) konzentrieren und das investieren den Privatleuten überlassen. Diese stecken kein Geld in sinnlose Projekte. Der Staat muss die Rahmenbedingungen durch Bürokratieabbau schaffen. Hoffentlich setzt sich die FDP durch.

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Dienstag, 19.10.2021 | 09:07 | Adrian Letec

was nützen weniger Steuern...

...wenn alle möglichen Abgaben, die nicht explizit Steuern heissen massiv erhöht werden? Das ist eine Mogelpackung, die die Medien leider mittragen. Die Gemeinden verlangen für jeden Handstrich immer mehr Gebühren. Egal, ob Personalausweis, Heirat, Schwimmbad. Dazu kommen Dinge wie Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung. Lindner ist das liberale Feigenblatt für die grün-linke Klima- und Einwanderungs-Ideologie. Das kostet richtig Geld und dafür muss abkassiert werden.

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Dienstag, 19.10.2021 | 08:21 | Walter Abores

Zurück zur Basis

Ich bin dafür das deutsche Verwaltungsmonster dem geistigen Horizont wieder anzupassen und auf die ursprüngliche Idee des Zehnten zurück zu kommen. Flat-Tax 10 Prozent, persönliche Amtshaftung und die Umstellung der Finanzen vom idiotischen Umlagesystem auf ein Kapitalrücklagensystem - und zwar nicht zuerst bei den Bürgern, sondern bei der Regierung und Verwaltung. Ist das Geld im Jahr alle, dann werden die entsprechenden Verwaltungs-Profit-Center eben zugemacht und sind Pleite. Vielleicht kommt dann in den Köpfen an was welches Geld kostet.

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Dienstag, 19.10.2021 | 08:04 | Dieter Richter

Ich will nichts mehr von sparen hören

nur noch von Investitionen. Schulden sind mir egal, machen alle anderen auch. In der Corona-Krise hatten wur auch Geld ohne Ende, also raus mit der Kohle und investieren. Ich sehe es nicht mehr ein zu sparennund, andere Länder profitieren und machen munter Schulden.

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Dienstag, 19.10.2021 | 07:23 | Konstantin Nabenteuer

Nachgerechnet

Seit knapp 30 Jahre gibt es den Soli. wenn etwa 35 Millionen Bürger in 360 Monaten (30 Jahre) sagen wir 20 Euro jeden Monat "spenden", macht es über den Daumen in 30 Jahren etwa 250.000.000.000 (Milliarden) Euro. Weiß nicht was damit passiert ist, mit nur dieser Steuer, aber wenn man haushaltet und nicht jedem was gibt der die Hand aufhält wären wir schon weiter. Aber Deutschland ist das Land der Steuererfindungen, mittlerweile gibt es dafür hübsche Namen, wie Co2 Steuer, klingt einfach jugendlicher als Mineralölsteuer. Hat jemand noch was zu Essen, will mir das Essen noch durch den Kopf gehen lassen..... Und bald gibt es die Ampelsteuer, will keiner von uns, aber etwas neues müssen die ja erfinden, wäre sonst uncool.

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