Hanks Welt : Wenn Bayern sich selbständig macht
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Für Bayern mehr als nur ein Volksfest: Wegen der Corona-Pandemie findet die Wiesn in diesem Jahr nicht in Festzelten, sondern als WirtshausWiesn statt. Bild: dpa
Ein Gedankenspiel über das Recht der Minderheiten – falls es nach dem Wahlausgang zu einer linken Regierung in Berlin kommen sollte.
Nehmen wir einmal an, die Bundestagswahl an diesem Sonntag führte zu einem Ergebnis, das viele inzwischen für nicht unwahrscheinlich halten: Unter der Führung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) kommt es zu einer rot-grün-roten Koalition. Zwar hat Scholz sich eine Weile lang rührend um die FDP bemüht. Doch die Gespräche scheitern am Ende an der Finanzpolitik. Während die Liberalen sich standhaft gegen die Einführung einer Vermögensteuer, die Anhebung der Einkommensteuer und die Lockerung der Schuldenbremse wehren, läuft der SPD-Mann mit seinen Steuervorschlägen bei den Linken offene Türen ein.
Nehmen wir zusätzlich an – was viele für ebenfalls nicht völlig unwahrscheinlich halten – die Berliner Initiative zur Enteignung großer Wohnungskonzerne hätte auch Erfolg und ein neuer rot-rot-grüner Senat in der Hauptstadt unter Führung von Franziska Giffey käme nicht darum herum, das demokratische Votum der Mehrheit in ein Gesetz zu gießen und die Vergesellschaftung des Immobilienbestandes in Angriff zu nehmen. Anschließend fände das Enteignungsgesetz auch im Kabinett Scholz rasch viele Freunde.
Nehmen wir also an, es käme so auf vollkommen demokratische Weise zu diesem Wahlausgang, dann wäre es nicht übertrieben zu sagen, wir befänden uns danach in einer anderen, nämlich linken Republik, in der das Privateigentum nicht mehr geachtet, die Erfolgreichen konfiskatorisch ausgenommen und – auf Drängen der Grünen – mit Blick auf den Klimawandel stärkere Eingriffe in die Bewegungsfreiheit der Bürger an der Tagesordnung wären.
Welche Chancen haben Minderheiten?
Ich will hier keine „Rote-Socken-Angst“ schüren. Mir geht es um eine rechtsphilosophische Frage: Welche Möglichkeit haben Minderheiten, sich gegen den Willen der Mehrheit zur Wehr zu setzen? Die naheliegende Antwort lautet: gar keine. So ist es eben in einer Demokratie. Die Unterlegenen haben sich der Mehrheit zu beugen. Sie können dafür werben, dass bei der nächsten Wahl wieder ihre Leute an die Macht kommen, die den Sozialismus zurückdrängen. Würden sie sehr ungeduldig, bleibt es ihnen unbenommen, in ein liberaleres Land (zum Beispiel in die Schweiz) auszuwandern. Demokratie, so schrieb Alexis de Tocqueville vor bald 200 Jahren, ist eine Art Diktatur der Mehrheit. Da kann man nichts machen.
Kann man wirklich nicht? Der Einzelne hat aus guten Gründen wenig Möglichkeiten, ihm nicht behagende Wahlergebnisse zu korrigieren. Doch wie ist es mit größeren Gebietskörperschaften? Nehmen wir in unserem Gedankenexperiment jetzt noch an, anders als im Bund würde es in Bayern unter Führung des charismatisch kraftstrotzenden Heroen Markus Söder zu einer satten Mehrheit der CSU kommen. Das würde den alten Gegensatz zwischen München und Berlin wieder aufleben lassen, nicht zuletzt, weil zu befürchten wäre, dass die rot-grün-roten Steuer- und Klimapläne vor allem die erfolgreichen Unternehmen und Wirtschaftsbürger Bayerns (und Baden-Württembergs, aber das wäre ein anderes Thema) träfen. Kein Wunder, dass infolge davon alte sezessionistische Ideen im Freistaat eine Renaissance erleben. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von 2017 zufolge wünscht sich ein Drittel der Bayern die Unabhängigkeit von der Bundesrepublik. Die Bayernpartei hält diesen Autonomiegedanken seit Jahren am Leben.