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Deutschland Steuersünder-Meldeplattform

„Da waren so Wörter wie Blockwart zu lesen“ – Grünen-Finanzminister rügt Kritiker

Annalena Baerbock befürwortet Pranger für Steuersünder

Das in Baden-Württemberg gestartete Online-Portal stößt auf heftigen Gegenwind. Hier kann jeder vermeintliche Steuerbetrüger anonym melden. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock befürwortet diese Art der Meldungen.

Quelle: WELT

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Landesfinanzminister Bayaz zeigt sich von der Schärfe der Kritik an der Online-Meldeplattform für Steuerbetrug irritiert – Wörter wie Blockwart oder Steuerstaat verharmlosten frühere Unrechtsregime. Derweil reißt die öffentliche Empörung nicht ab.

Nach der Kritik an der Online-Meldeplattform für Hinweise auf Steuerbetrug im Südwesten hat Baden-Württembergs Landesfinanzminister Danyal Bayaz die zum Teil scharfe Wortwahl gerügt. „Wir sind mitten im Wahlkampf, und da finde ich es immer gut, wenn man auch hart in der Sache miteinander diskutiert“, sagte der Grünen-Minister am Donnerstag dem Sender SWR. „Ich habe mich allerdings schon irritiert gezeigt. Da waren so Wörter wie Blockwart oder Steuerstaat zu lesen.“ Angesichts der geschichtlichen Betrachtung der Dinge, die da in den Raum gestellt würden, verharmlose das die Unrechtsregime in der Vergangenheit.

Baden-Württemberg habe lediglich etwas online eingeführt, das es bereits gab. „Das gibt es bereits, dass sich in jedem Bundesland, beispielsweise auch in Bayern, Menschen anonym an die Steuerbehörden wenden können“, sagte Bayaz. „Nur eben nicht online. Aber das Mittel ist da, und über das Mittel wird ja offenbar gestritten.“

Trotz der Kritik werde Baden-Württemberg an dem neuen Portal festhalten. „Wir sind davon überzeugt, dass es ein richtiger Schritt ist. Und deswegen halten wir selbstverständlich auch daran fest“, sagte der Landesfinanzminister.

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, wies die Kritik an der Meldeplattform ebenfalls zurück. „Das ist zu einem großen Teil Wahlkampfgetöse“, sagte er dem „Handelsblatt“. Außerdem seien Begriffe wie „Stasi-Methoden“ und „DDR-Mentalität“ für die Steuerverwaltung „ehrabschneidend“. Anonyme Anzeigen gebe es, seit es Finanzämter gebe. Das Portal in Baden-Württemberg sei eher eine Verbesserung, denn die Steuerverwaltung könne durch gezielte Rückfragen den „Anzeigenschrott“ von „werthaltigen Hinweisen“ trennen.

Das neue Portal wurde am Montag freigeschaltet und am Mittwoch präsentiert. Es soll Bürgern die Möglichkeit geben, Hinweise auf Steuerbetrug anonym per Internet anzuzeigen. Bisher nahm die Landesregierung anonyme Hinweise zu Steuervergehen bereits telefonisch, schriftlich, persönlich oder per E-Mail entgegen. Nach ihren Angaben fehlten aber oft wesentliche Einzelheiten. Über das neue Portal kann die Steuerverwaltung demnach anonym mit den Hinweisgebern kommunizieren. Möglichkeiten, Steuervergehen von Mitbürgerinnen und Mitbürgern per Internet zu melden, gibt es bereits beispielsweise auch in Nordrhein-Westfalen. Dort stellen die Finanzbehörden ein Online-Formular zur Verfügung, über das Angaben zu möglichen Fällen von Steuerhinterziehung weitergeleitet werden können.

Bayaz war heftig für die Einführung des Hinweisportals kritisiert worden. Heftig attackiert wurde er nicht nur auf der politischen Bühne, sondern auch in den sozialen Medien von Rassisten und Hetzern. Die übelsten Beleidigungen werde der Minister zur Anzeige bringen, teilte das Finanzministerium in Stuttgart auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Auf seinen Konten bei Twitter und Instagram gab es zahlreiche menschenverachtende, rassistische und sexistische Kommentare. Auch auf dem neuen Portal des Finanzministeriums für Hinweise auf Steuerhinterziehung gingen Mails mit heftigen Beleidigungen ein.

Diskussion über Einführung eines Meldeportals auch auf Bundesebene

Derweil wird auch über ein mögliches ähnliches Modell auf Bundesebene gestritten. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock lobte das Angebot und kann es sich auch bundesweit vorstellen. Politiker aus SPD und FDP sind dagegen.

Union und AfD werfen Bayaz dagegen vor, mit dem „Steuerpranger“ im Internet Denunziation zu fördern. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding, hieb nun in die gleiche Kerbe: „Das fördert eine Kultur des Misstrauens, der Missgunst, Unterstellung und Denunziation“ und dürfe sich „in unsere Gesellschaft nicht einschleichen“, sagte er dem Fernsehsender Bild.

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FDP-Chef Christian Lindner twitterte, Steuerhinterziehung müsse bekämpft und Verwaltungen müssten digitalisiert werden. „Aber ausgerechnet mit einem Portal zum Anschwärzen zu beginnen, das ist rätselhaft. (...) Da sinkt die Hürde, dem ungeliebten Nachbarn eins auszuwischen.“

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Auch Dietmar Bartsch, der Spitzenkandidat der Linken für die Bundestagswahl, kritisierte die anonyme Meldeplattform. Diese öffne „dem Denunziantentum Tür und Tor“, sagte Bartsch dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ („RND“). „Steuerfahndung darf nicht privatisiert werden. Sie ist Sache des Staates und nicht der Bürgerinnen und Bürger.“

Bartsch forderte, „nach Jahren der Stellenstreichungen“ brauche es endlich „einen massiven Personalaufwuchs in der Steuerfahndung und besser ausgestattete Staatsanwaltschaften, um Gesetze durchzusetzen“. Ob Klimaschutz oder Steuerrecht – die Verantwortung dürfe nicht auf Bürgerinnen und Bürger abgewälzt werden.

Nur Steuerfahndung und Staatsanwaltschaften hätten das Know-how, Steuerbetrug auszuhebeln. „Unser Problem ist doch nicht zuerst, dass der Gastronom eine Rechnung nicht stellt, sondern dass Spitzenverdiener und Superreiche legale und zum Teil illegale Wege finden, Steuern zu vermeiden, was den Bund jährlich Milliarden kostet“, so Bartsch.

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dpa/AFP/dp

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